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Elmar Traks

Elmar Traks

Strout, Elizabeth – Mit Blick aufs Meer (2008)

Entgegen der Ankündigung auf dem Cover ist dies kein Roman im klassischen Sinne, sondern der Inhalt besteht aus 13 Einzel-erzählungen. Sie sind in der Kleinstadt Crosby, an der nord-östlichen Atlantikküste von Maine angesiedelt, wo wenig Aufregendes passiert und nahezu jeder jeden kennt. Olive Kitteridge - Frau des Apothekers Henry Kitteridge und ehemalige Mathematiklehrerin – ist das Verbindende zwischen den einzelnen Kapiteln. Insofern halte ich den amerikanischen Originaltitel für treffender: „Olive Kitteridge – a novel in stories“. Worum geht es? 

Es wird Menschliches, allzu Menschliches und Zwischenmenschliches im Verhalten und in den Beziehungen einzelner Personen und Familien aufgezeigt. Da geht es z. B. um die zarte Zuneigung Henry's zu seiner Apothekenhelferin oder um einen jungen Mann, der nach Crosby zurückkehrt, um Selbstmord zu begehen. Eine junge Witwe erfährt am Beerdigungstag ihres Mannes, dass er eine Geliebte hatte; die Geschichte um eine Magersüchtige lässt erkennen, wie lebensnotwendig es ist, geliebt zu werden. Und die gelähmte Mutter einer alkoholkranken Klavierspielerin prostituierte sich einst und schreckte auch vor dem Partner ihrer Tochter nicht zurück. Nicht zuletzt geht es auch um Olive's eigene Familiengeschichte: ihre Zuneigung zu einem Kollegen, das Erwachsenwerden ihres Sohnes Henry, seine 1. Ehe und Fortzug aus Crosby, dann seine Scheidung, die zweite Ehe und Geburt eines Kindes. Olive aber ist eine Mutter, die nicht loslassen kann, die  ihre Schwiegertöchter als Rivalinnen sieht, und ihren Sohn dadurch letztlich gegen sich einnimmt. Der sanftmütige Henry erleidet schließlich einen Schlaganfall, muss ins Pflegeheim und stirbt dort lange Zeit später.

 

Diese ganze Palette um Freundschaft, Partnerschaft, Ehe, Eltern-Kind-Beziehungen, Träume, Altern, Krankheit, Toleranz, Einsamkeit, Versäumnisse, Glück – kurz: das ganze Spektrum der menschlichen Natur und des Lebens – ist dem Leser ab einem bestimmten Alter nicht fremd. Man hat gelernt und meistens auch akzeptiert, dass das Leben Sonnen- und Schattenseiten bereithält, jeder Mensch Stärken und Schwächen hat und man den Lauf des Lebens nicht aufhalten kann. Es kommt halt immer darauf an, was man daraus macht.

 

Insofern liefert das Buch einen großen Wiedererkennungs- und Bestätigungseffekt und ist vielleicht Anlass, noch einmal über das Leben im Allgemeinen und Besonderen nachzudenken. Es gibt „kleine Auftriebe“, wie Olive es nennt, wenn man erkennt, dass andere hinter der oft schönen Fassade auch mehr als ein Problem haben. Aber weiß man das nicht ohnehin als Mensch, der die meiste Zeit des Lebens schon hinter sich hat? Und ahnen es die anderen nicht bereits?

 

In vielen Beschreibungen und Rezensionen wird Olive Kitteridge, die am Ende des Buches 74 Jahre alt ist, als stur und boshaft, ehrlich, dabei zuweilen sehr direkt und verletzend dargestellt. Ich sehe das nicht so. In meinen Augen ist sie eine bodenständige, im Grunde ihres Herzens sensible Frau mit einem großen Liebebedürfnis. Ihr ist jedoch jede Falschheit fremd und sie schmiert ihren Mitmenschen nicht „Honig um den Bart“, um gemocht zu werden – eine äußerst sympathische Zeitgenossin, die in ihrer Geradlinigkeit oft aneckt.

 

Resümee: Ich verstehe den Hype um dieses Buch nicht, das in den USA 2009 mit dem Pulitzer-Preis für Romane ausgezeichnet wurde! Unter anderem dafür, dass es deutlich macht, dass jeder sein Päckchen zu tragen hat, wobei man es bei einigen weiß, bei anderen jedoch nicht????

Das ist mir zu wenig!

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