Viele von uns kennen sie bestimmt – die Doku-Soaps, in denen die Schicksale deutscher Auswanderer in voyeuristischer Form geschildert werden. Ich selbst weiß dabei manchmal nicht, ob ich mich über die erschreckende Naivität so mancher Betroffenen wundern oder deren Euphorie, die meist bar jeder realistischen Grundlage ist, bewundern soll:
Da hat jemand kaum finanzielle Rücklagen, (fast) keine Sprach- und Landes-kenntnisse, (noch) keinen Job und das Dach über dem Kopf fehlt auch noch, abgesehen davon, dass man sich mit Wirtschaftslage, Bürokratie und Gesetzgebung des auserkorenen Landes überhaupt nicht auskennt. Dennoch heißt die Devise: Hauptsache raus aus Deutschland und irgendwo neu anfangen – es wird schon werden – mehr noch: es kann nur besser werden.
Dass man im Auswanderungsland nicht gerade auf einen wartet, die Jobs nicht auf der Straße liegen, die Einheimischen dummerweise kein Deutsch sprechen, Wohnraum knapp und teuer ist, dass es auch hier reichlich Bürokratie gibt – die in einer fremden Sprache bewältigt werden muss -, Verdienstmöglichkeiten oft geringer als in Deutschland sind und das soziale Netz viel löchriger ist – kurz: dass es auch hier Probleme, und das nicht zu knapp, geben kann, das machen sich viele Auswanderungswillige nicht klar. Denn Auswandern und sich in einem fremden Land eine neue Existenz aufzubauen, das ist wahrlich nichts für Weicheier, da muss man schon hart zur Sache gehen, sich durchsetzen und kämpfen („go hard“), sonst ist das Unternehmen ganz schnell gescheitert.
In seinem Buch macht Torsten J. Koerting genau dies klar. Er beleuchtet kritisch häufig für eine Auswanderung aufgeführte Argumente, nennt Schwierigkeiten vom Entschluss bis zur Durchführung, schildert Probleme bei Ankunft, Eingewöhnung und Durchhalten bis hin zum Gedanken, wieder ins Heimatland zurückzukehren. In ironischer und manchmal auch sarkastischer Form hält er Auswanderungswilligen den Spiegel vor, nimmt so manche Illusion und holt sie auf den Boden der Tatsachen. Dabei ist er weit von Miesmacherei oder gar Moralisieren entfernt, sondern regt „lediglich“ zum Nachdenken und bewussten Überlegen einer so einschneidenden Ent-scheidung an. Dabei empfiehlt er jemandem, der danach bereit ist, all die genannten Schwierigkeiten und Probleme in Kauf zu nehmen, ausdrücklich, den Schritt zu wagen.
Resümee: Man merkt sehr deutlich, dass der Autor weiß, wovon er spricht: Durch berufliche Aufenthalte in Singapur, Indien, den USA und Australien hat er sehr lange und vielfältige Auslandserfahrung gesammelt. Dabei versteht er es ausgezeichnet, dieses komplexe und ernsthafte Thema ironisch-sarkastisch, aber auch humorvoll zu präsentieren. Jeder, der sich mit dem Gedanken an Auswanderung trägt, sollte sich vorab 2 - 3 Stunden Zeit nehmen, um das 108 Seiten umfassende Büchlein zu lesen. Die Zeit ist mit Sicherheit gut investiert, denn es wird bestimmt so mancher Aspekt auftauchen, den er (noch) nicht bedacht hat – und vergnüglich ist es auch noch.
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