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Elmar Traks

Elmar Traks

Buschkowsky, Heinz – Neukölln ist überall (2012)

Der Autor - SPD-Mitglied seit 1973 und Bürgermeister des Berliner Problembezirks Neukölln seit 2001- thematisiert in dem Buch die Integrationspolitik. Basierend auf seiner Neuköllner Realität stellt er dabei die zahlreichen Facetten der Migrations-problematik anschaulich dar und zeigt Folgen für das Zusammenleben von Deutschen und Zugewanderten auf, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Dabei geht er u.a. auf das Vorhandensein von Parallelgesell-schaften, Transferleistungen, Kriminalität, Leistungswillen und -verwei-gerung, die Akzeptanz von (Aus-) Bildungsangeboten, Erziehungsgeld, Schule und Kita ein. Er erläutert gleichzeitig schlüssig die Zusammenhänge von Religion, Kultur, (tradierten) Wertevorstellungen, Erziehungsidealen und Gewaltbereitschaft und das daraus resultierende Konfliktpotenzial der Ethnien untereinander. 

Integration = Bringschuld

 

Buschkowsky redet Klartext, wenn er eine Fehlentwicklung der Integrations-politik anprangert; es sei vielfach - z.B. an etlichen Schulen - sogar bereits so, dass Deutsche in ausländisch dominierte Gesellschaften integriert wer-den müssten. Multikulti erklärt er für gescheitert. Die Schuld daran sieht er zum einen in einer romantisierenden respektive verharmlosenden und von falschem Sozialgeist getragenen Politik, „dank“ der viele Zugewanderte ohne Gegenleistung auf Kosten des Staates leben. Diese Alimentierung von Migranten seitens des Staates lehnt er rigoros ab, wenn keine Gegen-leistung erfolgt oder keine Bindung an die sozialen, kulturellen und gesetz-lichen Normen der BRD bestehen.

Denn er sieht Integration vornehmlich als Bringschuld der Migranten. So sei es z.B. ein Unding, dass etliche selbst in der 3. Einwanderer-Generation  immer noch nicht (ausreichend) Deutsch sprechen und dadurch nicht nur ihren fehlenden Zugehörigkeitswillen dokumentieren, sondern sich auch jeglicher Chancen berauben, in einer Leistungsgesellschaft Fuß zu fassen.

 

Wenn-Dann-Prinzip

 

Der Autor plädiert vehement für eine Kita-Pflicht ab dem 13. Lebensmonat und Ganztagsschulen, um die Chancen der Integration in die Gesellschaft zu maximieren, und tritt ein für das Stimulieren regelkonformen Verhaltens und die Akzeptanz unserer Gesetze durch finanzielle Sanktionen: Er nennt es Schaffen von Wenn (du das machst …) - Dann (… passiert das und das) – Situationen und fordert deren konsequente Anwendung durch die dazu legitimierten Organe.  Um einen für die konstruktive Zusammenarbeit not-wendigen Datenfluss zu gewährleisten, sei auch eine gute Vernetzung aller öffentlichen Institutionen erforderlich – aber genau hier liege in Deutschland eines der großen Probleme.

 

Konträre Werte

 

In seinen Ausführungen geht es Buschkowsky nie darum, eine Be-völkerungsgruppe schlecht zu machen. Vielmehr beschreibt er bestimmte Verhaltensweisen, Lebens- und Wertevorstellungen, die in den verschiedenen Ethnien teilweise unerschütterlich verwurzelt und oft sehr konträr zu denen der „Bio-Deutschen“ sind; dies birgt ein unermessliches Konfliktpotenzial. Und er appelliert an die Vertreter der ausführenden Organe wie z.B. Polizisten, Politiker, Lehrer, Erzieher, Richter und Staatsanwälte, vor den offensichtlichen Problemen nicht die Augen zu verschließen, sich nicht aus Faulheit oder Angst vor Repressalien mit Beruhigen, Ignoranz und Schönfärberei zufrieden zu geben, sondern hinzusehen, zu (re-)agieren und zu gestalten.

Denn dass Integration auch durchaus glücken kann, das beschreibt er an Hand positiver Migranten-Karrieren; sie fußen vor allem auf elementaren Bildungsgrundlagen, Leistungsbereitschaft, Akzeptanz der deutschen Werte und Gesetze sowie sozialer Kompetenz.

 

Resümee: Heinz Buschkowskys klare Ausführungen sind besonders in der ersten Hälfte des Buches durch Anekdoten aus dem realen Leben so anschaulich untermauert, dass dem Leser die genannten Probleme un-mittelbar einleuchten. Dabei fehlt es ihm nicht an Humor, gelegentlich auch Galgenhumor. Die zweite Hälfte dagegen ist mir viel zu zahlenlastig, die Beispiele aus dem „richtigen Leben“ sind dabei deutlich reduziert, obwohl sie auf Grund der jeweiligen Thematik nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll gewesen wären. Es hat fast den Anschein, als hätte der Autor zum Ende hin immer mehr unter Zeitdruck gestanden. Wollte er das Buch vielleicht un-bedingt noch vor der Verabschiedung des SPD-Programms zur Bundestags-wahl veröffentlichen, um den Fokus für den anstehenden Wahlkampf noch einmal verstärkt auf die Integrationsproblematik zu lenken?

In seinen Stellungnahmen macht er vor den eigenen Parteigrenzen nicht halt und nimmt generell kein Blatt vor den Mund. Dabei ist er allerdings mit „Quatsch“ und „Blabla“ sehr schnell bei der Hand, wenn es ums Wegfegen anderer Meinungen geht. Dies ist sicher zum Teil seinem großen Engagement geschuldet, mit dem er sich der Problematik vor allem in „seinem“ Neukölln annimmt. Denn dass die Bevölkerung dieses Bezirks – egal welcher Ethnie sie angehört – ihm am Herzen liegt, das merkt der Leser deutlich.

 

Ist Neukölln wirklich überall? Auf Grund der Aspekte, die ich aus eigenem Erleben beurteilen kann, meine ich: mal mehr, mal weniger – der Autor nimmt "feinere" Wohnviertel allerorts selbst aus.

 

Im einzelnen habe ich den Eindruck, dass ...

 

- ... Buschkowsky nicht für „Deutsch als Leitkultur“ plädiert, sondern für „Deutsch als Basiskultur“, die es zu erhalten gilt, wenngleich sie durchaus durch (akzeptierte!) Elemente anderer  Ethnien angereichert werden kann.

 

- ... etliches von dem, was der Autor auf Migranten bezieht, auch durchaus auf Deutsche übertragbar ist, die z.B. Transferleistungen beziehen, oder auf Jugendliche, die nicht willens sind, sich an Regeln zu halten oder es stark am nötigen Leistungs- und Sozialverhalten mangeln lassen.

 

- ... es sogar Parallelen zu Deutschen im Ausland gibt. Dies gilt z. B. in Andalusien für Orte, in denen deutsche Residenten einen großen Bevölkerungsanteil stellen und eine Parallelgesellschaft entstanden ist. Viele dieser deutschen Migranten genießen die Vorteile des Lebens im sonnigen Süden, erachten aber ausschließlich die deutschen Werte und Normen als Maß der Dinge, beschimpfen die spanischen zum Teil als „hinterwäldlerisch“ und sind der Überzeugung, dass sie ein Anrecht darauf haben, bei spanischen Behörden auf Deutsch angesprochen zu werden. Auch hier hat es oft den Anschein, als sollten sich die Spanier doch bitte in die deutsche Gesellschaft integrieren.

 

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