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Elmar Traks

Elmar Traks

Tsokos, Michael (Co-Autor: Strüh, Lothar) – Der Totenleser (2012)

Untertitel: Neue unglaubliche Fälle aus der Rechtsmedizin

 

Der Rechtsmediziner Prof. Dr. Michael Tsokos leitet seit 2007 das Institut für Rechtsmedizin der Berliner Charité sowie das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin-Moabit.

Dieses ist sein zweites Buch, in dem er sehr anschaulich und spannend die Untersuchung von 12 realen Todesfällen aus seiner beruflichen Praxis schildert.

Als Rechtsmediziner hat er im Zweifelsfall nicht nur herauszufinden, ob es sich bei einem Todesfall um Mord, Selbstmord, einen Unfall oder eine töd-liche Krankheit handelt, sondern er muss auch die genaue Todesursache ermitteln. Diesbezüglich bieten die dargestellten Fälle ein breites, abwechs-lungsreiches Spektrum: Es geht u.a. um tödliche Sexpraktiken, Sprengstoff-explosionen, Kindesmissbrauch und  -tötung, tödliche  Krankheiten und Psychosen. Verschiedene Mord- und Suizidmotive werden geschildert - stellvertretend seien genannt Wahnvorstellungen, verschmähte Liebe, Zu-kunftsangst, Frustration, Auftragsmord – und die oft schwierige Diagnose nicht ohne weiteres feststellbarer tödlicher Krankheiten erklärt.

 

Der Leser bekommt in dem Zusammenhang sehr viele Hintergrund-informationen zu verschiedenen Themen der Rechtsmedizin, die der Autor für den Laien verständlich aufbereitet hat, wie z.B. Feststellen des Todes-zeitpunkts, Bergung von stark übergewichtigen Toten, Erstickungs-merkmale; er erklärt die Unterschiede zwischen Erdrosseln und Erwürgen, zwischen Leichenfäulnis und Verwesung, Depersonalisierung eines Toten und sog. „Undoing“-Verhalten des Täters, Suizid und erweitertem Suizid und vieles mehr.

 

Resümee: Dies ist nicht nur ein sehr spannend geschriebenes, sondern auch ein äußerst lehrreiches Buch. Michael Tsokos hat es verstanden, mir den Beruf des Rechtsmediziners mit seinem breiten Aufgaben- und Problem-spektrum auf lebendige (!) und anschauliche Weise näher zu bringen -  Fernsehkrimis werde ich ab sofort mit anderen Augen sehen. 

Bewundernswert sind auch die exakten Formulierungen und die sach-lichen Darstellungen, wenn es um die Beschreibung der Toten, ihre Auffinde-situation und Obduktion geht – blutrünstig ist es an keiner Stelle.

 

Zwei kritische Anmerkungen muss ich jedoch loswerden:

 

Mindestens an einer Stelle generalisiert der Autor zu stark (an anderen fehlt mir das für eine fundierte Kritik nötige Hintergrundwissen):

Bei einem kleinen Mädchen wurde als Todesursache eine Lungenembolie diagnostiziert und in der Folge eine Faktor-V-Leiden-Mutation festgestellt, also eine genetisch bedingte erhöhte Blutgerinnungsneigung. Hier fasst der Autor verallgemeinernd zusammen, dass in solchen Fällen das Thrombose-risiko mit blutverdünnenden Medikamenten stark reduziert werden könne. Er differenziert dabei nicht, dass diese Maßnahme lediglich bei den 0,05 – 0,5 % der europäischen Bevölkerung erforderlich ist, die Träger der homozy-goten Form sind (von beiden Elternteilen vererbt) und die daher ein 50 – 100-fach erhöhtes Thromboserisiko haben.

Bei der wesentlich häufiger vorkommenden heterozygoten Form –  nur von einem Elternteil geerbt und 5 % der europäischen Bevölkerung mit einem 5 – 10-fach erhöhten Risiko betreffend – ist eine Medikation nur in Situationen erforderlich, die ein Thromboserisiko bergen.

 

Und mindestens an einer Stelle überzieht er m.E. - wohl der Dramatik wegen: Eine Patientin, der bei vollem Bewusstsein von ihrem Mann beide Augen ausgestochen wurden, hört nicht auf, erbarmungslos zu schreien, auch nicht, als sie mit dem RTW abtransportiert wird. Hier kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der anwesende Notarzt sie nicht zu-mindest so weit sediert hat, dass sie nicht mehr schreit. Evtl. wäre dies sogar ein Fall für eine Narkotisierung gewesen.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    A. T. (Mittwoch, 24 Oktober 2012 09:45)

    Der Autor hat einen Kommentar ins Gästebuch geschrieben.