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Elmar Traks

Elmar Traks

Kröber, Hans-Ludwig – Mord (2012)

Geschichten aus der Wirklichkeit

 

Hans-Ludwig Kröber ist Direktor des Instituts für forensische Psychiatrie an der Freien Universität Berlin, das Teil der Charité ist. Zu seinem Aufgabengebiet gehört es u.a., durch Gespräche mit straffällig Gewordenen deren Lebens- und ggf. Krankengeschichte zu rekonstruieren. Ziel ist es, herauszufinden, wie eine Tat passieren konnte, was den be-treffenden Menschen veranlasst hat, eine Grenze zu überschreiten – im Gegensatz zu anderen, die ein ähnliches Schicksal erleben, aber nicht kriminell werden.

Neun solcher Lebensgeschichten stellt Kröber in diesem Buch vor:

Reise in die Zukunft

 

Alexander Witte lebt mit seiner Familie in Kasachstan und macht sich große Sorgen um ihre wirtschaftliche Zukunft. Als auch noch gesundheitliche Probleme hinzukommen, spitzt sich die Situation zu. Der verzweifelte Mann beschließt, zu der Familie seines älteren Bruders und seiner Mutter nach Deutschland zu reisen, um die eigene Auswanderung dorthin vorzubereiten. Doch auf der 4000 km langen Busfahrt kommt es zur Katastrophe.

 

Eine Liebe von Fritz

 

Fritz Wolkow hat den Großteil seines Lebens hinter Gittern verbracht - vor allem wegen Einbruchs- und Diebstahlsdelikten. Warum er außerdem zwei-mal kräftig zugeschlagen hat, das weiß er genau, aber warum er zwei Kinder umgebracht hat, das ist ihm selbst unerklärlich. Klar ist, dass er mit der Haft immer irgendwie zurechtkommt, das Leben in Freiheit ihm jedoch stets Probleme bereitet.

 

Ende der Demut

 

Eine Frau erträgt die Demütigungen ihres jüngeren Lebensgefährten nicht mehr. Durch eine Freundin ermutigt, engagiert sie einen Mann für „Spezial-aufträge“, der ihrem Freund eine ordentliche „Abreibung“ verpassen soll. Später versucht sie selbst – allerdings vergeblich – ihren Partner durch Tropfen umzubringen und heuert schließlich zwei Auftragskiller an.

 

Im Keller

 

Ein Mann hat sich im Keller seines Elternhauses ein Sado-Maso-Studio eingerichtet und kidnappt eine junge Frau, die er zur Sexsklavin ausbilden will. 

 

Der Biss in die Brust

 

Diplom-Ingenieur Gerwin Moss „musste“ einst seine schwangere Freundin heiraten. Obwohl sie nicht die Partnerin ist, die er sich erträumt hat, kommt eine Scheidung später aus verschiedenen Gründen nicht in Frage. Statt-dessen plant er ca. zwei Jahre lang den perfekten Mord an seiner Frau: Er konstruiert einen Schussapparat und fertigt ein Gebiss aus Metall an, um schließlich einen perversen Sexualmord zu inszenieren, bei dem er sich vor-sätzlich auch selbst verletzt. Durch einen Gutachterfehler wird er jedoch für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt. 15 Jahre lang be-teuert er hartnäckig seine Unschuld, bis er die Tat dann doch gesteht und nach 18 Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird. 

 

Blutsbrüder

 

Die Brüder Franz (26), Gerd (21) und Jan Peter (16) sind der Schrecken ihres kleinen Wohnortes:

Sie lassen keine Gelegenheit aus, Randale zu machen und Prügeleien anzuzetteln. An einem Samstag im Mai jedoch ändert sich ihr gesamtes Leben, als infolge einer Schlägerei zwei Männer sterben. 

 

Kissenschlacht

 

Alan und Melinda leben in England, jedoch geht es wirtschaftlich und auch mit ihrer Ehe immer weiter bergab. In Deutschland wollen sie einen Neu-Anfang wagen, jedoch kommt es schon bei einem ersten Kurz-Aufenthalt in Heidelberg zum GAU.

 

Siegfried

 

Siegfried Lehmann schlägt seit frühester Jugend „gerne“ zu, und auch als Erwachsener reagiert er aggressiv und jähzornig, wenn er Angst hat, sein Gesicht zu verlieren. Immer wieder ist er in Schlägereien verwickelt und verbringt daher die meiste Zeit seines Lebens im Gefängnis. Erst mit etwa

40 Jahren absolviert er ein Anti-Gewalt-Training - mit positivem Ergebnis.

Auf Grund guter Prognosen wird er entlassen, doch läuft das Leben in Freiheit alles andere als wunschgemäß.

 

Mutter eines Mörders

 

Kann eine Mutter damit fertig werden, dass ihr erwachsener Sohn ein 10-jähriges Kind sexuell missbraucht und getötet hat? Hinrich ist zwar wegen etlicher Straftaten bereits mehrfach im Gefängnis gewesen - jedoch wäre alles nie passiert, wenn er verheiratet wäre oder zumindest in einer festen Beziehung leben würde. Davon ist die Mutter fest überzeugt. Aber Mord? Nein, den schließt sie kategorisch aus; wie der Leichnam des 10-Jährigen in ihre gemeinsame Wohnung gekommen ist, das kann sie sich nicht erklären.

 

Resümee: War ich von einem Talk-Show-Auftritt des Autors, in dem er sein Werk vorstellte, zwar nicht gänzlich überzeugt, so interessiert mich doch die Thematik, und der Klappentext motivierte mich dann endgültig zum Kauf:

„(...) seine Aufgabe als Kriminalgutachter ist es, in die Seele der Ver-brecher zu schauen (…). Wie wird aus einem normalen Kind jemand, der vergewaltigt, schlägt, um sich sticht, tötet? Wie kam es, dass das Böse in diesem Menschen die Oberhand gewann?“ (Hervorhebung durch mich).

Im Vorwort des Buches bestätigt der Autor dies zunächst noch einmal:

„Forensische Psychiatrie interpretiert und bewertet den Lebenslauf, die Taten und die Wesensart eines Menschen (…).“ Dann jedoch fährt er fort: „ Darum geht es nicht in diesem Buch. Ich betrachte allein, wie die Dinge passiert sind (…). Der Leser soll in Versuchung gebracht werden, die Geschichten zu deuten, zu erklären, wie alles so kommen musste; (…).“ (Position 34 e-Reader; Hervorhebungen durch mich).

 

Im Klartext: Der Autor schildert uns lediglich den Lebenslauf eines Krimi-nellen. Interpretieren, d.h. die Gründe herausfinden, warum gerade dieser Mensch - im Gegensatz zu den meisten anderen mit einem ähnlichen Schick-sal - straffällig wurde, das sollen dann wir als Laien!! Spekulationen, nebu-lösen Vermutungen – wie sie bei Vorverurteilungen gang und gäbe sind - wird hier Tür und Tor geöffnet. Dem Autor scheint seine exakte forensische Wissenschaft nicht eben sehr am Herzen zu liegen.

Fand ich den Etikettenschwindel des Klappentextes schon ein Unding – um es gelinde auszudrücken!! - so dachte ich während der Lektüre zunehmend, ich befinde mich im falschen Genre, nämlich in der Rubrik „Die wahre Ge-schichte“ irgendeiner billigen Frauenzeitschrift:

Neun Lebensgeschichten straffällig gewordener Mensch werden in epischer Breite erzählt, was nicht nur absolut spannungsfrei ist. Nein, dadurch, dass keinerlei chronologische Reihenfolge eingehalten wird, geht es zum Teil Kraut und Rüben durcheinander – mal ist z.B. eine Person tot, dann wieder auferstanden usw. Teilweise scheint Kröber selbst den Überblick verloren zu haben, wie sonst sind häufige inhaltliche Wiederholungen zu erklären?

Ja, und das ist es dann auch schon!

Beim guten alten Dreisatz 1. Beschreibung – 2. Analyse – 3. Wertung fehlen komplett die Teile 2 und 3, sprich die Substanz, die Fakten die man beim Buch eines forensischen Psychiaters für den Laien verständlich erklärt wohl erwarten kann – und die der Klappentext verspricht.

Darüber, dass der reißerische Titel „Mord“ maßlos übertrieben ist, habe ich mich dann schon gar nicht mehr aufgeregt.

Das positive Gegenstück zu diesem grottenschlechten Buch

stellt das Werk von Nahlah Saimeh zum gleichen Thema dar:

 "Jeder kann zum Mörder werden" - rezensiert am 14.1.2013.

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