Elise und ihr verhaltensauffälliger jüngerer Bruder Ansgar wachsen nach dem Tod beider Elternteile bei hartherzigen Verwandten auf deren Hof heran, wo das Mädchen als Dienst- magd ausgenutzt wird. Im Jahr 1822 begegnet sie Håvard, der als Jugendlicher etliche Jahre als Kriegsgefangener auf einem englischen Schiff verbracht hat und nun der „Religiösen Gesellschaft der Freunde“, den Quäkern, angehört.
Er gewinnt auch Ansgars Vertrauen, und nach der Heirat mit Elise wollen im Jahr 1825 alle drei mit dem Schiff von Norwegen nach Amerika aufbrechen - zusammen mit ca. 50 weiteren Auswanderern. Sie alle sind voller Hoffnung auf ein neues, besseres Leben in einem Land, wo ihrer Vorstellung nach Milch und Honig fließen.
Doch als das Schiff ablegt, ist Håvard nicht an Bord – sein hinterhältiger Dienstherr will ihn als Arbeitskraft behalten, hat ihn deshalb am Vorabend betrunken gemacht und angebliches Diebesgut bei ihm versteckt. Als Håvard ihn in seiner Wut attackiert, kommt der Bauer ums Leben und Håvard muss viele Jahre im Gefängnis verbringen.
Die schwangere Elise und Ansgar überstehen die strapaziöse Überfahrt. Doch statt des erträumten Schlaraffenlands erwartet die Auswanderer in Amerika ein Leben voller Arbeit und Entbehrungen:
Wälder müssen gerodet und aus dem Holz Hütten gebaut werden, der karge Boden liefert kaum Erträge, die körperlichen Torturen, Not und Krankheiten fordern immer wieder Todesopfer. Trotzdem kann Elise eine gesunde Toch- ter zur Welt bringen, die sie Brenda nennt, und die Ansgars Augenstern ist.
Fünf Jahre später droht jedoch auch Elise – sie nennt sich mittlerweile Alice – an einer schweren Krankheit zu sterben. Dem Rat einer wohlmeinenden Freundin folgend, will der mittlerweile 18-jährige Ansgar seiner kleinen Nichte den Anblick der dahinsiechenden Mutter ersparen und macht sich mit ihr zu Fuß auf den Weg in eine bessere Gegend – nach Chicago. Nach jahre- langem Marsch kommen beide endlich am Ziel an: Sie finden Unterkunft
bei Annie, einer Wirtsfrau, die sich außerdem der „Sehnsüchte einsamer Männer“ annimmt. Ansgar arbeitet als Zimmermann, bekommt seine psy- chische Erkrankung jedoch nur mit Alkohol in den Griff, während Brenda
zur Schule geht und sich um den Onkel kümmert.
Elise/Alice hat ihre Krankheit überlebt, wahrscheinlich auch, weil der reiche Francis de Lilac, der schon länger ein Auge auf die schöne Frau geworfen hatte, sie gerade noch rechtzeitig aus der „Seuchenhöhle“ herausgeholt und auf seine Plantage gebracht hat. Sie heiraten, bekommen zwei Kinder und führen ein Leben in Wohlstand.
Håvard macht sich nach seiner Haftentlassung – es müssen mittlerweile 13 Jahre verstrichen sein – auf die Schiffsreise nach Amerika, um dort seine Elise zu finden und endlich das ersehnte Leben mit ihr zu führen. Nach langer erfolgloser Suche tut er sich schließlich mit der ebenfalls ausge- wanderten Gunhild und deren Sohn Hølje zusammen – dieser ist etwa im gleichen Alter wie Brenda, von deren Existenz er mittlerweile erfahren hat. Jedoch findet er keine Ruhe - immer wieder bricht er zu langen Reisen auf, immer in der Hoffnung, doch noch auf Elise und seine Tochter zu treffen – vergeblich!
Endlich macht er der geduldigen, treusorgenden Gunhild einen Heirats- antrag, will aber vor der Hochzeit unbedingt noch nach Chicago, wo er
(zu Recht) seine Tochter vermutet; Gunhild und Hølje begleiten den zukünftigen Ehemann und Stiefvater dorthin.
Gleichzeitig brechen Elise/Alice und ihr Gatte ebenfalls nach Chicago auf – nach endlosen Jahren sehnt sich die Mutter nun nach ihrer Tochter, die sie dort zu finden glaubt.
Bei der Vorstellung eines Puppentheaters, bei der Brenda und Ansgar mitwirken, treffen schließlich alle aufeinander – es kommt zum Showdown.
Resümee: Dies ist der erste Teil von Toril Brekkes Auswanderer-Trilogie.
Es ist die dramatische Geschichte einer Gruppe von Norwegern, die der Vision von einem besseren Leben im fernen Amerika nachhingen und die Strapazen der Atlantik-Überquerung auf sich nahmen. Sie wurden bitter enttäuscht: Ihre Träume zerplatzten wie Seifenblasen, denn statt Überfluss erwarteten sie Not, harte Arbeit, Entbehrungen und immer wieder Rück- schläge. Nur wenigen gelang ein Leben in relativem Wohlstand.
Für die Arbeit an diesem Werk hat die Autorin akribisch recherchiert –
sie hat viel gelesen und ist der Route der Auswanderer auf Reisen gefolgt. So füllt sie einen verbürgten historischen Rahmen nicht ausschließlich mit einer fiktiven Romanhandlung und fiktiven Protargonisten, sondern auch mit zahlreichen realen Ereignissen und Personen.
Der Sprachstil ist karg, manchmal geradezu minimalistisch. Er schafft oft le- diglich einen Rahmen, den der Leser mit eigenen Gedanken und Bildern zu füllen hat. Das hat mir sehr gut gefallen, nicht nur, weil bei mir während des Lesens ohnehin immer ein Film vor meinem inneren Auge abläuft, sondern auch, weil der Stil hervorragend zu der kargen Landschaft und zur Lebenssituation der Auswanderer passt.
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