Christian Seifert arbeitet seit gut 22 Jahren bei der Berufsfeuer- wehr München, davon seit 14 Jahren in der Integrierten Leitstelle – zunächst als Disponent, aktuell als Lagedienstführer.
Als solcher nimmt er Anrufe, die unter der Rufnummer 112 auf-laufen, entgegen, muss abklären, ob es sich wirklich um einen Notfall han- delt, wie schwerwiegend er ist, über geeignete Maßnahmen entscheiden, diese veranlassen und koordinieren.
Auf 208 Seiten berichtet er über „normale“, besonders dramatische und kuriose Fälle aus seinem Berufsalltag, von dessen Komplexität Außen- stehende wohl kaum mehr als eine vage Ahnung haben. Trotz allen ge- botenen Ernstes lässt er es dabei nicht an einer gehörigen Prise Humor fehlen, wo dieser angebracht ist.
So schildert er zum Beispiel Sex-Unfälle wie den Fall eines Jungbauern, der die Melkmaschine als Sexspielzeug für sich entfremdet und dabei des Guten zu viel tut. Unter übelsten Verwünschungen und Beschimpfungen des Vaters wird der Geplagte mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gefahren – wo wenig später auch der Senior mit den gleichen Verletzungen behandelt wer- den muss.
Auf Dauer eher abtörnend ist es auch, wenn eine Frau den auf höchster Stufe rotierenden Vibrator nicht mehr aus dem Rektum bekommt und die Hilfe von Rettungssanitäter und Arzt benötigt.
Dramatisch und schier aussichtslos erscheint es dem Leser, wenn ein 4-Jähriger in München den Notruf wählt, weil seine Mutter ganz dringend Hilfe benötigt, der Kleine aber weder seinen Nachnamen noch die Adresse weiß.
Ähnliches gilt für einen Deutschen, der während seines Griechenland-Urlaubs einen Motorrad-Unfall in unbekannter einsamer Gegend erleidet
und sich nicht anders zu helfen weiß, als die 112 in München anzurufen. In beiden Notsituationen konnte den Hilfsbedürftigen durch das Engagement der Mitarbeiter in der dortigen Leitstelle noch rechtzeitig Rettung geschickt werden.
Ganz besonders schwierig gestalten sich Notrufe psychisch Kranker – was der Disponent am anderen Ende der Leitung ja zunächst nicht weiß, wenn der Anrufer nicht schon ein alter Bekannter ist oder sich gleich dadurch outet, dass er z.B. wegen Nanobomben unter der Haut in Panik ist.
Aber auch bei Tierrettungen, Sichtung vermeintlicher Ufos, Bombenent- schärfungen, Wohnungsöffnungen, Kindernotfällen, Geburten u.v.a.m. ist der Einsatz der Retter erforderlich.
Dabei sprechen die Kollegen in der Notrufzentrale scheinbar alle Sprachen der Welt – oder erreichen zumindest jemanden, und sei es über -zig Ecken, der ihnen als Dolmetscher dienen kann.
Dabei reicht das Spektrum der Anrufer von Jux-Anrufen über solche mit
einer völlig überzogenen Anspruchshaltung bis hin zu Hilfebedürftigen, die
in buchstäblich letzter Minute den Notruf wählen, da sie niemandem zur Last fallen wollen.
Ein Extra-Kapitel dient auch den generalstabsmäßigen Vorbereitungen des jährlichen Oktoberfestes, dessen Überwachung und allzeitiger Alarmbereit- schaft. Ich hätte nie gedacht, welchen Aufwand es erfordert, damit wirklich alles möglichst reibungslos abläuft und im Notfall schnell und effizient Hilfe geleistet werden kann.
Resümee: Christian Seifert nimmt den Leser mit an seinen Arbeitsplatz in der Münchner Feuerwache 3, wo man hautnah die Arbeit der Disponenten kennenlernt, die unter der Nummer 112 täglich etwa 3000 Anrufe von Bür- gern entgegennehmen und natürlich nie wissen, was sie erwartet.
Dabei müssen sie von den meist aufgeregten Menschen – manchmal handelt es sich auch um Kinder – zunächst eine möglichst klare Schilderung der Situ- ation erfahren, um dann rasch die richtigen Maßnahmen einleiten zu können. So manches Mal werden auch Ersthelfer vor Ort gleich telefonisch in oft le- bensrettende Sofortmaßnahmen eingewiesen.
Es wird sehr deutlich, dass der Beruf, so vielfältig, abwechslungsreich und interessant er ist, extrem hohe Ansprüche an die Mitarbeiter der Leitstelle stellt. Neben natürlich fachlicher Qualifikation sind mindestens noch folgende Eigenschaften unbedingt erforderlich:
großes Verantwortungsbewusstsein, gute Menschenkenntnis und Einfüh- lungsvermögen, Instinkt, Stressresistenz, Organisationsvermögen, Kon- taktfreudigkeit, unbedingte Liebe zum Beruf, Humor – aber auch die Fähigkeit, Distanz zu wahren, um den stressigen Alltag bewältigen zu können; denn trotz allen Engagements haben leider nicht alle Fälle ein Happy End.
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