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Elmar Traks

Elmar Traks

Kohl, Walter – Leben, was du fühlst (2013)

Von der Freiheit, glücklich zu sein

Der Weg der Versöhnung

 

In seinem ersten Buch „Leben oder gelebt werden: Schritte auf dem Weg zur Versöhnung“ (2011) hat der mittlerweile 50-jährige Sohn von Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl seine schwierige Kindheit aufgearbeitet. Laut Klappentext zeigt er dort bereits den Weg auf, wie er „durch einen Prozess bewusster Versöhnung […] Frieden mit der eigenen Vergangenheit, mit den Eltern und sich selbst“ geschlossen und so den Weg für ein Leben in Selbst- bestimmung geebnet hat.

In diesem zweiten Buch nun möchte er seine Erfahrungen auf dem Weg zum inneren Frieden erneut mit den Lesern teilen und sie ermutigen, sich eben- falls auf einen solchen Pfad zu begeben.

Dabei betont er, dass jeder Mensch sein eigenes „Päckchen“ zu tragen habe, er daher keine allgemeingültigen Regeln nennen, sondern lediglich Hilfen und Denkanstöße anbieten könne, damit der Einzelne die für ihn maßgeschneiderte Lösung selbst findet. Oberstes Ziel soll es sein, sich

von der Meinung anderer frei zu machen, innerlich zu sich selbst zu finden, um dann selbstbestimmt handeln zu können – leben, statt gelebt zu werden. Um jedoch Gegenwart und Zukunft auf gutem Boden positiv gestalten zu können, muss zunächst eine negative Vergangenheit auf- und verarbeitet werden. Kampf und Flucht schließt Kohl dabei als Methoden ausdrücklich aus – er setzt auf Versöhnung.

Er beschreibt seinen ganz individuellen Therapie-Weg in Sachen Vergangenheitsbewältigung, und zwar im Wesentlichen anhand

seiner beiden größten – und offensichtlich mit dem ersten Buch

doch noch nicht bewältigten - „Altlasten“:

1.   „der Sohn vom Kohl“ zu sein und dadurch, so hat er es immer

empfunden, nicht als eigenständige Persönlichkeit wahrge-

nommen und akzeptiert zu werden,

2.    seine Jugend-Erfahrungen als gefährdetes Politikerkind mit dem

RAF-Terrorismus der 70-er Jahre, die ihn stark und nachhaltig traumatisiert haben.

Eingestreut sind zusätzlich immer wieder Anekdoten aus seinem privaten und beruflichen Leben, die er meist recht ausführlich noch einmal gedanklich an sich vorbeiziehen lässt.

Am Ende des Buches findet man Arbeitsbögen, die der Autor ursprünglich für sich selbst entwickelt hat, und nun auch dem Leser zur Verfügung stellt.

Resümee: In dem Maße, wie ich mit dem Lesen des Buches voranschritt, manifestierte sich meine bereits auf den ersten 10 Seiten aufkeimende vage Vermutung: Dies soll wohl primär der Eigen-Therapie zweiter Teil sein, die in fast schon exhibitionistischer Manier einem breiten Publikum zugänglich gemacht wird. Wenn dann der durch das Leben ebenfalls belastete Leser noch etwas für sich herauspicken kann ... umso besser.

Mehr kann ich in der Veröffentlichung des Werkes leider nicht sehen; denn

-      bis in die (zumindest nahe) Gegenwart hinein litt der 50-jährige nach

seinen dezidierten, von vielen inhaltlichen Wiederholungen geprägten Ausführungen extrem darunter, für andere immer nur „der Sohn vom Kohl“ zu sein. Er hat jedoch keine Skrupel, ein Buch zu veröffentlichen, dem er zwar den imaginären Stempel „Lebenshilfe“ aufdrückt, in dem er aber sein Leben als eben jener Sohn ausbreitet – ein Schelm, wer Böses dabei denkt,

-      der Untertitel verspricht assoziativ etwas, was der Inhalt nicht hält: Wer

denkt bei „Der Weg der Versöhnung“ nicht, dass wir erfahren, wie der Autor das zerrüttete zwischenmenschliche Verhältnis zu seinem alten Vater bereinigt? „Der Weg zum inneren Frieden“ z.B. hätte dem Ganzen den Anstrich einer Mogelpackung genommen,

-      um wirklich einer breiten Leserschaft als Lebenshilfe zu dienen, reicht

es nicht, sich im Wesentlichen auf diese beiden sehr Kohl-spezifischen und damit „exotischen“ Themen zu beschränken. Da muss „Butter bei die Fische“, indem (auch) alltagstaugliche Fallbeispiele geliefert werden. Wenn nicht in seinem persönlichen Umfeld, so doch in seinem „Zentrum für Lebensgestaltung“ wird er sicher auf  Menschen treffen, die unge- löste Konflikte mit sich herumtragen, welche der Leser eher auf seine eigene Situation projizieren kann. Dann fällt es auch leichter, Ansätze für eine individuelle Strategie der Aussöhnung zu entwickeln. Als Stich- worte seien hier nur  Kindesmisshandlung, Gewalt in der Ehe, Leis- tungsdruck, berufliche Niederlagen, sozialer Abstieg … genannt.

Das auf seiner Homepage deklamierte hehre Ziel hat Kohl durch dieses Buch mit Sicherheit nicht erreicht: „... ist als Praxisbuch konzipiert mit dem Ziel Versöhnung praktisch lern- und im Alltag anwendbar zu machen.“

 

Fazit: Walter Kohls Buch schwankt inhaltlich zwischen angelesener „Kü- chen“-Psychologie und erneutem Eigentherapie-Versuch, indem er die eigene Vergangenheit vor allem durch Rückblenden und Brainstorming

zu bewältigen versucht. Aufgrund der sehr Kohl-spezifischen Beispiele

taugt es dem Normalbürger trotz der Arbeitsbögen jedoch nicht wie vor- geblich beabsichtigt (s.o.) als Handbuch auf dem Weg zur Aussöhnung

mit seinen Problemen.

Ich bin mir nicht einmal sicher, ob Kohl sein eigenes Ziel erreicht hat, denn es scheint doch ein sehr labiles Gleichgewicht zu sein, das er immer wieder hart erarbeiten muss (ich hatte erst „für das er immer wieder kämpfen muss“ geschrieben – aber Kampf als Methode verneint er ja).

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Jette Webersen (Freitag, 28 Juni 2013 12:29)

    Hallo, Annette - ich kann mich Ihren exzellenten, da sehr durchdachten Ausführungen 100%-ig anschließen. Gruß Jette