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Elmar Traks

Elmar Traks

Lorentz, Iny – Die Wanderhure (2005)

Konstanz 1410: Die bildhübsche 17-jährige Bürgerstochter Marie soll den Magister Ruppertus Splendidus heiraten. Am Vortag der Hochzeit unterzeichnen dieser und der Brautvater den Heiratsver- trag, der u.a. zwei wesentliche Punkte enthält: die Zusicherung von Marie's Jungfräulichkeit und eine Vermögensregelung zugunsten des zukünftigen Ehemannes. Und nur darum geht es Ruppertus: Um so schnell wie möglich an den Besitz seines Schwiegervaters in spe zu kommen, ist er nicht davor zurückgeschreckt, schon vorab falsche Zeugen zu kaufen, die Marie noch am selben Abend der Hurerei bezichtigen.

Sie wird sofort in den Kerker geworfen – ist sich aber trotz aller Verzweiflung sicher, dass ihre Unschuld durch eine Untersuchung bewiesen und sie bald wieder frei sein wird. Ein Irrtum, denn in der Nacht wird sie von den drei ge- kauften männlichen Zeugen martialisch mehrfach vergewaltigt, und auch die „Gutachterin“ ist bestochen worden. Im Schnellverfahren wird Marie wegen Hurerei verurteilt und anschließend öffentlich einer grausamen körperlichen Züchtigung unterzogen.

Halb tot, völlig mittellos und ohne jeglichen Beistand muss sie ihre Heimat- stadt für immer verlassen, während Ruppertus Splendidus sich das Ver- mögen ihres Vaters aneignet.

Unterwegs findet die Wanderhure Hiltrud die dem Sterben Nahe, nimmt sich ihrer an und pflegt sie gesund. Um materiell zu überleben, bleibt auch Marie schließlich nichts anderes als ein Leben als Wanderhure übrig.

Nur der Gedanke an Rache an ihren Peinigern lässt sie das erniedrigende, entbehrungsreiche und manchmal nicht ungefährliche Leben ertragen.

Resümee: Das Autoren-Ehepaar Iny Klocke und Elmar Wohlrath, das sich Iny Lorentz nennt, gibt mit diesem Roman einen monothematischen Einblick ins Mittelalter:

Dargestellt wird das harte Leben der Wanderhuren, die nur zur Linderung der männlichen „Lendenpein“ benutzt wurden und als Abschaum der Ge- sellschaft galten. Wobei es allerdings innerhalb dieser Gruppe Unterschiede gab: einerseits die wenig reinlichen „Pfennighuren“, die für wenig Geld nahe- zu jeden Mann an sich ranließen, auf der anderen Seite „Hübschlerinnen“ wie Marie und Hiltrud, die etwas auf sich gaben und sich oft besser zahlende Freier aussuchen konnten.

Diese Thematik, abseits von Rittertum, Kaufleuten, Königen und Hexenver- brennung fand ich interessant und informativ -  ihr ging erkennbar eine gute Recherche-Arbeit der Autoren voraus.

 

Das Geschehen ist in einer mittelalterlichen Kulisse angesiedelt, in der andere historische Aspekte und Daten weitestgehend ausgespart werden.

Ein durchgängig positives Gesamturteil zu diesem Buch kann ich nicht abgeben:

 

•   Der Titel „Die Wanderhure“ weist zugegebenermaßen darauf hin, dass

vornehmlich deren Sexualkontakte thematisiert werden. Jedoch fand ich die Häufung und im Wesentlichen immer gleiche Darstellung derselben (rauf – rein – runter in minimalen Variationen) dann doch nur wenig prickelnd. Nun, in diesem Punkt könnte man vielleicht entgegenhalten, ich hätte thematisch das falsche Buch gewählt.

•   Allerdings störte es mich ziemlich, dass der Eindruck erweckt wird,

alle Männer – gleich welcher sozialen Schicht, welchen Berufs oder Bildungsstands – seien pathologisch notgeil; sogar die „Guten“.

•   Eine Vielzahl von Huren ist an der Handlung beteiligt, die meisten

geschäftlich sehr rege – nur von einer erfahren wir, dass sie in der Vergangenheit ein Kind geboren hatte. Alle anderen bedienen sich bestenfalls einer empfängnisverhütenden Tinktur –  schwanger oder

gar geschlechtskrank wird jedoch keine, was meines Erachtens nicht realistisch sein kann.

•   Außer Marie und Hiltrud bleiben die übrigen Charaktere relativ farblos,

was möglicherweise von den Autoren gewollt ist – der Titel steht schließlich im Singular.

•   Phasenweise ist die Handlung durchaus spannend. Jedoch nehmen die

vielen, auch über das Befriedigen ihrer Kundschaft hinausgehenden, inhaltlichen Wiederholungen viel von der Dramatik und Erwartungs-

freude.

•   Ereignisse und schicksalhafte Begegnungen wirken oft aneinandergereiht

und hart an der Grenze zum Konstruierten. Einige Wendungen traten oft ein bisschen arg „zufällig“ ein, wenngleich sie nicht unmöglich waren – und erstaunliche Zufälle gibt es ja gelegentlich im Leben.

 

Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass es sich hier um einen ganz netten Unterhaltungsroman handelt, der leichte Kost für den schnellen Lesegenuss liefert. Einen Anspruch an Tiefgang sollte man nicht an ihn stellen.

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