Anlässlich des 60. Geburtstages der Kunst-Malerin Victoria May hat deren Tochter Sam(antha) sich bereit erklärt, ihr zu Ehren eine Ausstellung zu organisieren. Bei den Vorbereitungen findet sie ein altes Fotos, auf dem ihre Mutter zusammen mit einer etwa gleichaltrigen Frau zu sehen ist. Sam ist verblüfft: Die Fremde ist ihr wie aus dem Gesicht geschnitten!
Als sie ihre Eltern und Großmutter nach der Identität der Frau fragt, be- kommt sie von allen keine oder ausweichende Antworten. Letztlich erfährt
sie nur, dass die Aufnahme vor ca. 30 Jahren in Griechenland entstanden ist. Sam schaut sie sich immer wieder an, und ihre große Ähnlichkeit mit der Begleiterin ihrer Mutter lässt der jungen Frau keine Ruhe, sodass sie an- fängt, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen.
Dabei lernt sie den Journalisten Roman kennen, der sich sofort in sie verliebt und sie – manchmal allzu eifrig – unterstützt. Auch Freundin Luna wird ins Vertrauen gezogen.
Zusammen kommen sie einem 30 Jahre lang totgeschwiegenen ungeheuer- lichen Familiengeheimnis sowie seinen daraus resultierenden Verstrickungen auf die Spur und erkennen, dass in Sam's Familie eine ganz große Diskre- panz zwischen Sein und Schein herrscht.
Unter dem Eindruck der zutage geförderten Erkenntnisse verändert sich
die erschütterte junge Frau und macht eine schwierige Entwicklungsphase durch: Sie erkennt, dass sie sich als gutmütige Tochter immer Familien- zwängen untergeordnet hat, sucht und findet aber schließlich für sich einen Weg der Abnabelung.
Resümee: Dieser Enthüllungs- und Entwicklungsroman, in den auch Elemente eines Krimis eingeflossen sind, ließ sich für mich zunächst ein wenig gemächlich an. Er präsentierte sich mir mit dem Tenor, dass jede Familie ihre Geheimnisse hat, die zum Teil nicht einmal untereinander thematisiert werden. Auch glaubte ich sehr bald zu wissen, um welche „Leiche im Keller“ es sich in diesem Falle handelt.
Aber weit gefehlt: Zum einen nimmt die Handlung mit zunehmenden Ver- mutungen und Erkenntnissen immer mehr an Fahrt auf und die Spannung steigt stetig an. Zum anderen handelte es sich bei meiner Vermutung nur um die alleroberste Spitze eines Eisbergs. Zum Schluss konnte ich das Buch kaum noch aus der Hand legen.
Die Geschehnisse und Gedanken sind aus der wechselnden Perspektive
der Protagonisten geschrieben. Rückblenden in Kindheit, Jugend und frühes Erwachsenen-Alter Victoria May's enthüllen darüber hinaus ebenfalls die „Familienpolitik“ und offenbaren zum Schluss ein komplettes und dennoch desolates Bild. Es drängte sich mir hier das Schlagwort von der „Familie als Keimzelle des Terrors“ auf.
Zum Schluss sei noch angemerkt, dass die Handlung in die oberfränkische Stadt Coburg regelrecht eingebettet ist: Die Autorin schildert sie bei ver- schiedenen Wetterlagen und zu jeder Tages- bzw. Nachtzeit so anschaulich, dass der Leser sich dort schon fast heimisch fühlt.
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A. T. (Dienstag, 08 April 2014 09:12)
Die Autorin hat einen Gruß ins Gästebuch geschrieben (# 53).