Ostersamstag, 21 Uhr: Wir hatten gerade zu Abend gegessen und während ich in der Küche klar Schiff machte, genoss Elmar draußen den Sonnen- untergang, die beginnende Dämmerung und friedliche Stille.
Plötzlich jedoch kam er schnellen Schrittes ans geöffnete Küchenfenster: „Annette, Annette! Kannst Du mal kommen und schauen, wer unten auf unserem Grundstück arbeitet?“
Meinen ersten Gedanken: „Vielleicht der Osterhase?!“ behielt ich mal lieber für mich – die Lage schien nicht zu flotten Sprüchen angetan.
Ich eilte also raus und erkannte unseren Nachbarn T.: Vor ca. einem Jahr hatten er und seine Frau das Haus neben uns gekauft, während ihrer Kurzaufenthalte aber bislang jedweden Kontakt strikt vermieden, obwohl beide als Norweger exzellent Englisch sprechen. Ich war lediglich einmal zufällig kurz bei Bekannten mit ihnen zusammengetroffen und vorgestellt worden. Kein Wunder also, dass Elmar ihn, zumal auf die Distanz, nicht eindeutig identifizieren konnte.
Was tat T. zu später Dämmerstunde mitten auf unserem Grundstück?
Nun, zunächst einmal versuchte er uns nach Kräften zu ignorieren, obwohl wir beide nicht nur gut sichtbar am Rand unserer Terrasse standen, sondern er auch direkt zu uns herauf-, aber sofort wieder wegschaute.
Des Weiteren hatte er um den dicken Ast eines unserer Bäume ein Seil ge- schlungen, an dem er nach Kräften zog. Nun hatten wir schon mitbekommen, dass er es irgendwie mit Rundhölzern hat: Selbst bei einem kurzen Wochen- end-Aufenthalt kann er auf seinem Grundstück stundenlang Brennholz pro- duzieren – meist mit der nervtötendsten aller Kettensägen.
Aber bei uns???? Bei allem, was recht ist: Wenn sein Baumbestand nichts mehr hergibt, kann er doch nicht so ohne Weiteres einfach unseren in Angriff nehmen!
Nachdem er uns weiterhin nicht beachtete und sein Tun unbeirrt mit einer gewissen Verbissenheit fortsetzte, rief
- ich: „T., was tust Du da auf unserem Grundstück mit unserem Baum?“
- T.: „ Ich versuche, den einen Ast runterzukriegen.“
- Ich: „Hä?? Warum???“
- T.: „Der stört mich! Der ist ja auch sowieso schon angeknackst.“
Ich guckte fragend Elmar an, in der Hoffnung, dass er meine Vermutung „das ist jetzt nicht wahr!“ bestätigte – aber nada: Mein Mann schaute so ratlos, wie ich es war!
- Ich: „Aber T., das ist doch unser Baum! Du kannst doch nicht einfach so
auf unserem Grundstück ohne zu fragen mal eben abholzen, was Dir nicht passt!“
Die Frage, wieso ihn genau dieser, von seinem Grundstück ziemlich weit entfernte Ast, inmitten unseres relativ großen gemischten Oliven-, Mandel-, Eukalyptushains störte, stellte ich mir und ihm schon gar nicht mehr!
- T.: „Ja, ich hätte vorher fragen sollen!“
- Ich: „Richtig!“
- T.: „Kann ich jetzt weitermachen oder soll ich aufhören!“
Elmar und ich schauten uns kurz an, konnten uns beide ein Grinsen nicht verkneifen - wie sich später herausstellte, dachten wir etwas bissig genau das Gleiche:
„Wer weiß, was passiert, wenn er jetzt mitten in der Arbeit aufhört – Diagnose: labor interruptus!“
Also ließen wir ihn die angefangene Tätigkeit beenden.
Da er jetzt ja nicht mehr heimlich, still und leise agieren musste, lief T. schnell zu sich, um eine große, stabile Säge zu holen.
Jedoch musste er sein Tun dann auf Sonntag vertagen, da es mittlerweile dunkel geworden war:
Als mir die Dauer der Geräuschkulisse an diesem Vormittag nicht mehr ge- heuer war, schaute ich mal nach dem Rechten – da fiel doch gerade schon die nächste riesige Astgabel ins Campo. Zeit, dem Treiben nun aber ener- gisch Einhalt zu gebieten, was von T., wenn auch erkennbar schweren Herzens, akzeptiert wurde.
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A.T. (Sonntag, 29 März 2015 09:03)
Nach dieser irritierenden, das nachbarschaftliche Verhältnis nicht unbedingt fördernden Episode, hatten wir mittlerweile ein sehr nettes, konstruktives Gespräch über Bäume im Allgemeinen und Besonderen.