Ausbrüche und Revolten
Diese Anthologie enthält 33 Texte, thematisch untergliedert in
7 Kapitel, in denen es um Ausbrechen aus dem Alltag und Auf- begehren gegen das Gewohnte geht. Manchmal sind es kurze Geschichten, manchmal aber auch nur einzelne Szenen - Schlaglichter, die eine ganz be- stimmte Situation ausleuchten.
Der Abschnitt LIEBE z. B. beginnt mit dem nur wenige Zeilen langen Text Badezimmer, in dem das Bild einer badenden Frau skizziert wird. Mit dem von der Arbeit heimkehrenden Mann hatte ich spontan Mitleid, fing dann aber an nachzudenken ...
In Die 1001. Nacht denkt die alleinerziehende Regina: „... es kann nicht sein, dass ihr Männer immer nur an das Eine denkt – und dass man euch immer abschleppen, aber nicht behalten kann.“ (Seite 12). Bei ihrer neuesten Be- kanntschaft wendet sie daher eine ungewöhnliche Methode an, um dies zu ändern.
Junger Hund, die Titelgeschichte, handelt davon, dass der Erzähler seine Tochter verloren hat; der übergroße Schmerz veränderte sein Leben. Jetzt erlebt er, wie 3 Glatzköpfe einen weiteren 4. verprügeln, der wie ein junger Hund brüllt; dadurch wird beim Erzähler etwas in Gang gesetzt.
Im Kapitel UMSTURZ hat mir die Geschichte Dinosaurier besonders gut gefallen: Vincent setzt seit über 17 Jahren Passagiere vom Trave-Ufer zur „Passat“ über. Doch eines Tages verlässt er die gewohnte Route.
Gott nennt den ersten Mensch Friedrich, der bei jedem Vergehen einen Buchstaben seines Namens verlieren soll. Doch das Experiment geht schief – wie und warum, das erfahren wir in Was bisher geschah.
Seine spannenden ERFAHRUNGEN, die er auf weiten Reisen gemacht hat, erzählt ein alter Mann regelmäßig einigen Kindern, die die Geschichten in sich aufsaugen. Nach seinem Tod jedoch erfahren sie Überraschendes – nachzulesen in Altes Café am Ortsrand.
Großeinsatz:Eine Nachbarin nimmt ein Ehepaar im Auto mit, muss sich je- doch von der Frau Anschuldigungen gefallen lassen. Das bleibt nicht ohne Folgen.
Unter der Überschrift RANDALE finden wir u.a. die Geschichte Eilmel- dung: Die glücklich verheiratete Mutter Sarah Schneider möchte unbedingt eine Nacht im Gefängnis verbringen.
Der Anfang meiner Karriere bestand in der dringenden Notwendigkeit, eines Tages einen Schlägertrupp zu organisieren.
In Die Jugend der Anna Hohlfelder erfährt der Leser, dass die Titelfigur sehr viel Zeit hat. Aber statt in einem gewissen STILLSTAND gefangen zu sein, möchte sie viel lieber wissen, wie es ist, Stress zu haben.
Der neue Nachbar sorgt für VERWIRRUNG: Er sieht Gregor sehr ähnlich und lässt einen Mann gedanklich in seine Jugend, nämlich zu eben jenem Gregor, zurückwandern.
Reicht es, wenn man als Hollywoodschaukel ganz zufrieden mit seinem Leben ist? Kann man es sich dann bequem machen? Diese Fragen stellt besagtes Gartenmöbel in Ich, Hollywoodschaukel.
Wenn man von HEUCHELEI redet, dann ist auch Der Krieg als Heuchler zu erwähnen.
Der Erzähler von Das Kapital und ich stellt sich vor, wie er in Zukunft als Zeitzeuge im Fernsehen auftreten wird.
Resümee: Da es den Umfang der Rezension gesprengt hätte, alle 33 Texte inhaltlich zu erwähnen, habe ich mich auf eine Auswahl beschränkt. Das be- deutet aber nicht, dass mir nur diese gefallen hätten – nein, im Gegenteil:
Alle Geschichten regen zum Nachdenken an, indem sie Beziehungen, gesell- schaftliche Verhältnisse sowie eingefahrene Denk- und Verhaltensweisen in Frage stellen und zu Veränderungen ermuntern.
Dabei bekommen wir zum Teil nur Augenblicks-Aufnahmen, Spotlights, zu „sehen“, die aber prägnanter nicht sein könnten.
Die Entwicklung der Handlung ist manchmal skurril, manchmal verwirrend. Meist nimmt sie eine unerwartete Wendung, ist nicht berechenbar und lässt den Leser vor Verblüffung sprachlos zurück – vor allem aber nachdenklich!
Der Autor verzichtet auf Unnötiges, reduziert seine Texte aufs Wesentliche – dadurch schafft er eine enorme Dichte und Intensität, die den Leser keinen Moment „von der Leine“ lässt, sondern ihn in Atem hält.
Kurz: Keine leichte Kost, aber eine sehr, sehr lohnende Lektüre!
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Matthias Kröner (Donnerstag, 17 Juli 2014 08:57)
Was man nie weiß als Autor: was die Kritik über die Texte denkt, die ja doch sehr intim in einem selbst entstehen. Umso größer die Freude, wenn gesehen wird, was man damit anstellen wollte.
Liebe Grüße sendet der "Junge Hund"