Die knapp 18-jährige Grace wohnt mit ihrer verwitweten Tante im Norden Montanas, nahe der kanadischen Grenze. An einem eiskalten Wintermorgen steht sie am Fenster und sieht, wie sich eine Frau dem einsam gelegenen Haus nähert. Als ein Mann auf sie zukommt, unterhalten sich beide kurz, bevor er auf sie einsticht
und flüchtet.
Die geschockte Grace ruft zunächst bei der Polizei an, dann will sie dem Opfer helfen und eilt hinaus. Sie erkennt in der Frau ihre Mutter Leanne Adams, die vor 11 Jahren verschwand und ihre damals 7-jährige Tochter alleine in einem heruntergekommenen Wohnwagen zurückließ. Bevor sie
an den schweren Stichverletzungen stirbt, warnt sie Grace: „Du musst vorsichtig sein. Sie sind immer noch hinter dem Geld her.“ (Seite 16).
Die hochschwangere Polisistin Macy Greeley übernimmt den Fall – sie
hatte damals auch die Vermisstensache bearbeitet. In dem Zusammen-hang waren seinerzeit einige Familienmitglieder wegen Mädchenhandels
mit Todesfolge in den Fokus der Untersuchungen geraten. Doch der Fall konnte nie aufgeklärt werden und auch Grace's Mutter blieb bis zum heutigen Tag verschwunden.
Die Ermittlungen gestalten sich auch diesmal schwierig:
In der Kleinstadt kennt jeder jeden, die meisten Einwohner sind freund-schaftlich, geschäftlich oder familiär miteinander verbandelt und verbergen hinter einer zum Teil mühsam aufrecht erhaltenen Fassade etwas, was auf keinen Fall nach außen geraten darf.
Und auch Grace – die einzige Mord-Zeugin, die viele als „seltsam“ bezeich-nen – gibt sich verschlossen, obwohl jemand sie verfolgt und später sogar auf sie schießt. Erst sehr spät öffnet sie sich gegenüber Macy Greeley und gibt erschütternde Dinge preis.
Verdächtige gibt es einige, aber ebenso wie die Ermittler kennen auch die Leser bis zum Schluss nicht die Identität des Mörders von Leanne Adams.
Immer wieder stellt sich die Frage, warum die Verstorbene nach 11 Jahren gerade jetzt wieder aufgetaucht ist, den Kontakt zu ihrer Tochter gesucht und sie gewarnt hat.
Resümee: Mit Macy Greeley wird uns in diesem Buch eine Ermittlerin vor-gestellt, mit der ich partout nicht warm werden konnte: Sie ist zu unscharf „gezeichnet“ und erhält dadurch keine klar umrissene Persönlichkeit.
Und auch die anderen Protagonisten sind nicht deutlich konturiert. Selbst für Grace, die mit ihren gerade 18 Jahren schon ein schlimmes Schicksal hinter sich hat, konnte ich nur schwer Empathie empfinden – sie bleibt irgendwie unnahbar und fremd.
Entsprechendes gilt auch für die Handlung: Vieles bleibt vage, wird nicht pointiert genug herausgearbeitet. Gelegentlich aufkommende Spannung wird dadurch gleich wieder im Keime erstickt. Selbst als zum Schluss der Täter in einer dramatischen Aktion gestellt wird, verpufft diese sang- und klanglos.
Kurz: Die Bezeichnung „Thriller“ ist maßlos übertrieben!
Darüber hinaus ist es manchmal schwierig, die Personen und ihre Verbindung zueinander auseinanderzuhalten: Abgesehen von den verwandtschaftlichen Beziehungen gibt es Ex- und aktuelle Partner
sowie Ex- und derzeitige Liebhaber. Wie schon oben erwähnt: In der Kleinstadt ist jeder mit jedem irgendwie verbandelt.
Um das Positive zu nennen:
Atmosphärisch ist das Buch sehr gut – dem Leser wird das raue, eisige Winterklima in Montana nahe der kanadischen Grenze ebenso vermittelt
wie die manchmal erdrückende soziale Enge einer Kleinstadt.
Die sehr komplexe Handlung ist in sich schlüssig und wird am Ende logisch aufgelöst – erst dann erfährt man auch das gesamte Ausmaß der aktuellen und der 11 Jahre zurückliegenden Tat, die seinerzeit nicht aufgeklärt werden konnte. In der Rückschau kann sich der Leser dann einiges zusammenreimen, was vorher diffus blieb.
Fazit: Nimmt man von der Bezeichnung „Thriller“ - mit der damit einher-
gehenden Erwartungshaltung! - Abstand, sondern belässt es bei (Kriminal-) Roman, dann bietet das Werk gute Unterhaltung.
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Verena Acklin (Dienstag, 04 November 2014 12:13)
In meinen Augen ist dieses Buch kein Thriller. Oft entsteht beim Lesen eine gewisse Spannung, aber schon bald zerfällt die wieder. Ich hatte zeitweise Mühe, die Personen richtig einzuordnen. Auch wurde ich mit den einzelnen Personen nicht richtig warm. Trotz alldem hatte ich Lust weiterzulesen. Man darf dieses Werk keinenfalls als Thriller bezeichnen, es ist eher ein unterhaltsamer Roman.