_______________________

 

Webmaster u.v.a.m.

Elmar Traks

Elmar Traks

Link, Charlotte – Sechs Jahre: Der Abschied von meiner Schwester (2014)

Franziska, die jüngere Schwester der Autorin, starb im Februar 2012 im Alter von nur 46 Jahren. Mit ihr verlor Charlotte Link nach eigener Aussage den wichtigsten Menschen in ihrem Leben.

Der Leidensweg hatte 6 Jahre zuvor mit der Diagnose Darmkrebs im fortgeschrittenen Stadium begonnen. Entgegen ärztlicher Prognosen besiegte Franziska diesen zwar, musste aber einen kräfte-zehrenden Überlebenskampf gegen die fatalen Folgen von Chemo- und Strahlentherapie führen. Diese hatten ihre Ursache zum wesentlichen Teil

in einer bereits vor gut 20 Jahren erfolgten Behandlung.

Während all der Jahre stand die gesamte Familie an ihrer Seite, unterstütze Franziska in allen Belangen, wo es nur ging – oft bis zur eigenen physischen und psychischen Erschöpfung. Die Zeit war geprägt von Tiefschlägen und Ängsten, aber auch immer wieder von Lichtblicken und Hoffnungen, von zum Teil erschreckender Empathielosigkeit seitens behandelnder Ärzte und Krankenhauspersonal, aber auch von viel Menschlichkeit und Zuwendung.

Engagierte und gewissenhafte Ärzte standen solchen gegenüber, die es mit der Sorgfaltspflicht bei Diagnosestellung und Behandlung nicht so genau nahmen, bis hin zur Fahrlässigkeit agierten. Andere versuchten, aus der verzweifelten Situation der Kranken und ihrer Familie Kapital zu schlagen.


Wie in einer Parallelwelt existierte das Berufsleben der Autorin mit all seinen Erfordernissen, denen sie gerecht und terminlichen Verpflichtungen, denen sie professionell nachkommen musste. Und auch die elementarsten Belange in Franziskas und Charlotte Links Familien – z.B. die Versorgung von Haus-halt, Kindern und Tieren - mussten zusätzlich zur Betreuung der Kranken gewährleistet und gemanaget werden; alles bei einer großen räumlichen Distanz zwischen beiden Haushalten einerseits und den Krankenhäusern andererseits.


Resümee: Charlotte Link hat dieses sehr persönliche Buch auf ausdrück-lichen Wunsch ihrer verstorbenen Schwester geschrieben und veröffentlicht. Das sei vorab an diejenigen adressiert, die es für fragwürdig halten, diese Episode aus ihrem Leben zu publizieren und in der Konsequenz natürlich Geld damit zu verdienen. Ich halte dies in erster Linie für eine private Ent-scheidung der Autorin und ihrer Familie, über die zu richten Außenstehende sich nicht anmaßen sollten.


Die Ziele des Buches sind vielfältig.

Zum einen diente das Schreiben der eigenen Verarbeitung des während

der 6 Jahre Erlebten. Dies geschah rund 2 Jahre nach Franziskas Tod.

Der zeitliche Abstand sorgte erkennbar dafür, dass sich die Ereignisse schon „gesetzt“ hatten, eine rationale Betrachtung möglich war – dennoch ist ein Buch, das vom Leidensweg und Sterben eines nahen Angehörigen handelt, natürlich auch emotional.


Obwohl es sich um ein Einzelschicksal handelt, stellen viele der beschrie-benen Verhaltensweisen, Ereignisse, Zustände und Folgen jedoch keine Einzelfälle dar. Darauf möchte die Autorin aufmerksam machen und sensi-bilisieren, sodass der Leser aus ihren Erfahrungen einen Nutzen ziehen kann, sollte er in vergleichbare Situationen geraten.


Ich habe aus dem Buch „mitgenommen“, zukünftig noch kritischer mit ärzt-lichen Diagnosen und Behandlungsvorschlägen umzugehen, mich in Bezug auf Letzteres über Eignung und (Spät-) Folgen möglichst gründlich zu infor-mieren. Es darf einfach nicht sein, dass man eine Erkrankung zwar besiegt, aber an der Therapie stirbt oder als „zu melkende Kuh“ angesehen wird.

Gleichzeitig rüttelt das Buch auf, Diagnosen und scheinbare Ausweglosigkeit nicht schicksalsergeben hinzunehmen, sondern nach Möglichkeiten zu suchen – das Internetzeitalter macht unendlich viele Informationen für alle zugänglich.

Dass man als Patient und Angehöriger Ärzten und Krankenhauspersonal gegenüber nicht um jeden Preis ergeben-freundlich auftreten darf, sondern gelegentlich auch sehr bestimmt Paroli bieten muss, das habe habe ich schon recht früh erfahren und bin darin noch einmal bestätigt worden. Auch was die Langzeit-Begleitung und Betreuung eines schwerkranken Angehöri-gen für das eigene Leben in allen seinen Bereichen bedeutet, kann ich die Erfahrungen Charlotte Links absolut teilen.


Die Autorin ist als Schriftstellerin ein Profi; sie versteht es zu schreiben und den Leser in den Bann zu ziehen – das bedarf eigentlicher keiner speziellen Erwähnung. Erwähnt werden muss aber, dass dieses Buch mit sehr großem Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Lebenden geschrieben ist. Sie generalisiert niemals, sondern schreibt sehr konkret ausschließlich über ihre Erfahrungen und die ihrer Familie. Sie verbreitet auch nicht ein einziges Mal Panik. Im Gegenteil: Wenn sie z. B.über Ereignisse mit negativen Folgen aus der Vergangenheit berichtet, so erwähnt sie, wenn sich diesbezüglich mittlerweile etwas geändert hat und benennt auch aktuell existierende Alternativen.


Unbeantwortet bleibt, warum für Franziska weder die Betreuung auf einer Palliativstation noch in einem Hospiz in Anspruch genommen wurden. Diese Frage stellt sich mir, weil ich diesbezüglich in vergleichbarer Situation sehr wohltuende Erfahrungen für Patient und Angehörige gemacht habe, was Empathie, Achtung der Menschenwürde und Betreuung anbelangte.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Verena Acklin (Samstag, 13 Dezember 2014 16:19)

    Dieses Buch hat mich sehr berührt. Es lag sicher daran, dass ich dieses Jahr etwas ähnliches mit meiner Schwester erleben musste. Charlotte Link schreibt so hautnah, dass ich beim Lesen mehrere "Déjàvues" erlebte. Dieses berührende Buch bereitete mir ein paar schlaflose Nächte mit Nachempfindungen. Die Autorin hat mit diesem Buch ein professionelles Werk kreiert. Die Lektüre dieses Buches kann ich nur empfehlen!