Wenn man sich hier in Andalusien auf etwas verlassen kann, dann auf die Gültigkeit dieser Aussage!
Dabei habe ich den ganz starken Verdacht, dass den Spaniern diese Gesetzmäßigkeit von Kindesbeinen an sonnenklar ist - wenn sie sie mal nicht sogar schon mit der Muttermilch aufgesogen haben!
Wie sonst ist es zu erklären, dass diese Maxime fester Bestandteil ihres Lebens ist, was sich im Alltag darin äußert, dass sie in der Regel so wenig Aufwand wie möglich in vorbedenkendes Handeln und gezielte Planung stecken?!
Während diese Haltung für die Spanier eine sehr effiziente, da energie-schonende Strategie mit niedriger Frustrationsgefahr darstellt, können
wir auch nach so vielen Jahren hier noch nicht so ganz aus unserer preu-ßischen Haut: Wir planen immer noch viel zu viel und machen uns über
alles Mögliche noch viel zu viele (und oft völlig überflüssige) Gedanken.
Das kollidiert dann zwangläufig manchmal mit der Mentalität der Ein-heimischen und bringt uns gelegentlich an den Rand der Verzweiflung – oder zum Lachen!!
Das Gute: Es kommt nicht immer schlechter als geplant und erwartet, manchmal sogar besser, meist aber einfach anders! Und letztlich läuft
sich immer alles irgendwie zurecht, zumal das Improvisationstalent und
die Hilfsbereitschaft der Spanier schier unübertroffen sind!
Hier ein kürzlich erlebtes 24-Stunden-Beispiel:
Unser Quad musste zum TÜV! Ich hatte es online angemeldet und die Bestätigung mit allen relevanten Angaben wie Fahrzeugdaten, Termin, Buchungsnummer ausgedruckt.
Wie das Schicksal so spielt, war nach wochenlanger Trockenheit just für
den Tag Regen vorhergesagt – für eine längere Quadfahrt bei einstelligen Temperaturen gar nicht gut! Den Termin zu verlegen,
kam aus verschie-denen Gründen nur im Notfall in Frage.
Je näher die vereinbarte Uhrzeit rückte, desto mehr zog sich der Himmel tatsächlich (!) zu. Irgendwann verließen mich die Nerven: Ich fuhr 2 Stunden früher als geplant und mit Lesestoff „bewaffnet“ los. Meine planvolle Über-legung: So habe ich wenigstens die Chance, noch trocken hinzukommen, würde aber mit Sicherheit ziemlich lange warten müssen; sollte es nach
der Untersuchung regnen, könnte mein Mann mich mit dem Auto abholen.
Ankunft beim TÜV: Hier - an der Küste, 20 km von unserem Bergdorf entfernt – herrschten strahlendster Sonnenschein und frühlingshafte Temperaturen … und es warteten bereits Massen von Menschen mit
ihren Fahrzeugen. Ohje ohje, mein Buch würde ich da wohl noch locker durchkriegen.
Zunächst aber gab ich die geforderten Anmelde-Daten in einen Bildschirm ein, um mir – wie an der Fleischtheke – eine Nummer zu ziehen. Zu meiner Verblüffung bekam ich allerdings auch beim dritten Versuch wieder die Mitteilung, dass ich leider keinen Termin hätte.
Nun, die Beweislage war in Gestalt der mitgeführten Anmeldebestätigung eine andere. Doch was tun? Mich in die lange Warteschlange einzureihen, machte wenig Sinn, da über einen weiteren Bildschirm nur die gezogenen Nummern zur Bearbeitung aufgerufen wurden.
Entschlossenen Schrittes, „Entschuldigung, un problema, nur eine Frage“ murmelnd, ging ich schließlich an ca. 15 geduldig Wartenden vorbei, zückte mein Datenblatt und trug besagtes Problem der gerade frei gewordenen Sachbearbeiterin vor. Deren pragmatische Reaktion: Sie stellte sofort die zur Vorführung des Quads erforderlichen Unterlagen zusammen und ich ging, wiederum „Entschuldigung“ murmelnd (wenn auch diesmal aus anderen Gründen) erneut an den Nummer-Besitzern vorbei.
Nun wärmte ich mich erst einmal in der Sonne ein wenig auf und wollte nach ca. 10 Minuten mein Buch vorholen, als das Quad bereits aufgerufen wurde!
Das Ende vom Lied: Zu dem ursprünglich vereinbarten Termin war ich
schon längst wieder zu Hause und hatte bereits eine heiße Tasse Tee getrunken! Ich gebe es ja zu: Ich habe mich sehr gefreut, so schnell wie noch nie zuvor beim TÜV abgefertigt worden zu sein, aber ein klein wenig taten mir auch die Leute leid, die regulär ziemlich lange warten mussten – einige, die sogar vor mir dort angekommen waren, zum Teil sicher noch, als ich schon wieder im Warmen saß.
Am nächsten Morgen, Silvester, ein Tag, an dem normalerweise alle Institutionen, die man im weitesten Sinne als „Behörde“ bezeichnen kann, geschlossen haben:
Ich musste noch ins Dorf, um frische Lebensmittel zu besorgen und eigent-lich auch zur Bank, um mit der Karte am Automaten Geld abzuholen. Aber andererseits mache ich dies lieber, wenn sie geöffnet hat, da das veraltete Gerät manchmal die Karte nicht wieder rausrückt und dann die „Erste Hilfe“ eines Angestellten erforderlich ist (für das Gerät, nicht für mich!). Nun hatte ich in der Nachbarschaft des Geldinstituts aber noch etwas zu erledigen – also Risiko!
Und siehe da – ich traute meinen Augen nicht: Die Türen waren an diesem 31. Dezember (so weit ich mich erinnern kann) erstmalig für den Publikums-verkehr geöffnet. Prima! Da hatte ich mir mal wieder überflüssige Gedanken gemacht – erfreulicherweise gab heute der Automat auch zuverlässig Geld und Karte von sich. In zweifacher Hinsicht Glück gehabt!
Als ich das Gebäude verließ, „stieß“ ich übrigens mit der Post-Chefin zusammen. Nichts mehr ausschließend, erkundigte ich mich sicherheits-halber, ob denn die Post heute wohl geöffnet habe. In gespielter Empörung erwiderte sie lächelnd: „Aber Annette, wie lange lebst Du nun schon hier?? Silvester ist doch immer zu!“ Als ich zur Bank zeigte und meinte: „Jaja, aber schau mal, die Bank ….“ da verstand sie die Welt nicht mehr.
Weiter sollte es in Sachen „Spezialauftrag“ von meinem Mann zur Apotheke gehen. Derer gibt 2 im Ort – eine quasi neben besagtem Geldinstitut. Je-doch bedient dort meist ein junger Mann, der nicht so furchtbar beschlagen ist. Bei allem, was nicht 08/15 ist, nehme ich daher lieber den weiteren Weg zur anderen farmacia in Kauf. Das führt im Allgemeinen schneller und auf-wandsminimaler zum gewünschten Erfolg.
Ich machte also, innerlich leicht grummelnd, einen kleinen Spaziergang, um beim Betreten der Apotheke aufs Freundlichste von besagtem jungen Mann begrüßt zu werden: Er hatte die Arbeitsstelle gewechselt! Und ich kam nun doch in den „Genuss“ einer zusätzlichen Sprachübung.
Letztlich musste ich aber lachen und einmal mehr an Friedrich Dürrenmatt's 21 Punkte zu „Die Physiker“ denken:
Punkt 8: „Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer
vermag sie der Zufall zu treffen.“
Punkt 9: „Planmäßig vorgehende Menschen wollen ein bestimmtes Ziel
erreichen. Der Zufall trifft sie dann am schlimmsten, wenn sie durch ihn das Gegenteil ihres Ziels erreichen:
das, was sie befürchteten, was sie zu vermeiden suchten.“
Nun rasch weiter zum Supermarkt! Hm, die Zucchinis könnte ich ja eigent-lich auch gleich hier mitnehmen. Aber andererseits sahen sie nicht mehr so ganz taufrisch aus, also entschied ich, sie anschließend doch lieber - wie ursprünglich ohnehin geplant - im Obst- und Gemüseladen kaufen! Kurs halten!
Aber oh je!! In den gesamten letzten Wochen Standardware, fehlten sie
dort heute komplett im Angebot! Darauf verzichten oder noch einmal zurück in den Supermarkt und wiederum in der langen Schlange an der Kasse warten? Das war hier die Frage! Diesmal dem (Un-) Lustprinzip folgend, entschied ich mich für Verzicht. Kommt davon, wenn man partout an seiner Planung festhält.
Wie gesagt, sich in Spanien groß über etwas Gedanken zu machen, lohnt
in den seltensten Fällen, denn es kommt meist eh anders:
Frei nach dem Motto „Wer weiß, wozu es gut ist“, stellten sich in Bezug auf den TÜV mein Frühstart wegen der ausnahmsweisen hohen Regenwahr-scheinlichkeit und die Nicht-Registrierung meines Termins als Glückfall für eine zügige, bevorzugte Abfertigung heraus.
Bei der Bank dominierten die Verblüffung über die „außerordentliche“ Öffnung und die Beruhigung für „den Fall der Fälle“.
Beim Anblick des Apothekenhelfers, von dem ich eigentlich nicht bedient werden wollte und daher den längeren Weg in Kauf genommen hatte, musste ich lachen.
Und auf die Zucchini konnte ich verzichten.
Vielleicht gelingt es mir ja in einem Anflug von Altersweisheit irgend-wann doch noch besser, die Dinge hier in Spanien einfach auf mich zukommen zu lassen, ohne mir vorher viele Gedanken zu machen! Theoretisch habe ich immerhin schon recht gut drauf, dass sich das
in den wenigsten Fällen auszahlt –
allein mit der praktischen Umsetzung hapert es (noch).
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A. T. (Mittwoch, 21 September 2016 12:59)
Mein Verhalten ist mittlerweile insofern frustrationsminimaler geworden, als ich mir nicht mehr vorab so furchtbar viele Gedanken über Plan B und C mache, falls etwas nicht so läuft wie geplant. Inzwischen gelingt es mir immer besser, erst einmal abzuwarten, was passiert ... und erst dann ggf.weiter zu überlegen.
A. T. (Dienstag, 10 Januar 2017 10:31)
Und wieder einmal war der TÜV für eine positive Überraschung gut:
Anders als in Deutschland ist Stichtag für die Untersuchung der Kalendertag vor der letzten Untersuchung. Ein früherer Termin ist möglich, aber nicht so sinnvoll, ein späterer wird beim Erwischtwerden mit einem Bußgeld belegt und das Gefährt ist nicht versichert.
Von der Verkehrsbehörde wird man schriftlich immer auf die Deadline und die Notwendigkeit einer Terminvereinbarung hingewiesen.
Nun bin ich beim Quad im Dezember immer aufs Wetter angewiesen und habe bislang stets kurzfristig die erforderliche Terminvergabe tätigen können. Diesmal jedoch klappte es nicht - der nächste verfügbare Zeitraum war ab der 2. Januarwoche.
Oh je! Die Ratschläge von spanischen Bekannten waren einhellig: Datum vereinbaren, warten und das Risiko eingehen. Das machen sie immer so und noch nie sei etwas passiert.
Das war mir nicht geheuer und in Anbetracht des fantastischen Wetters - wie würde es Anfang des nächsten Monats sein? - fuhr ich einfach an die Küste zum TÜV. Mal sehen, ob man das Quad evtl. doch zwischenschieben konnte, evtl. musste ich eben lange warten.
Mit dramatischem Gesichtsausdruck (von den Spaniern gelernt!!) schilderte ich dort meine Lage.
Wie überrascht war ich, als die Dame meinte: "No problema!" Ich sollte am Computer-Terminal das Kennzeichen eingeben, auf "Termin heute" gehen und mir eine Nummer ziehen.
Bereits nach 40 Minuten wurde ich aufgerufen und die Untersuchung erledigt.
Wie schon häufiger gesagt:
Es kommt hier häufig anders als man denkt - aber keineswegs immer schlechter!