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Elmar Traks

Elmar Traks

Schott, Bettina – Volturnus schläft (2015)

Da ich mir vorstellen kann, dass sich beim Lesen des Titels viele genau wie ich fragen, wer oder was denn wohl“Volturnus“ sein mag, hier gleich vorab die Erklärung:

Im Buch erzählt der betagte Louis Bronner eine uralte Legende, nach der Volturnus einst als mächtiger Flussgeist im Nagold-Tal lebte; verärgerte man ihn, so rächte er sich fürchterlich. Womöglich haust er heute immer noch dort, obwohl er zur Zeit aber höchstwahrscheinlich schläft – und schlafende Geister soll man bekanntlich nicht wecken.

Die Handlung des Romans spielt im Jahr 1748 in der Schwarzwälderstadt Altensteig im Nagold-Tal.

Im Mittelpunkt steht das Alltagsleben dort – es dreht sich vor allem um die Flößerei, den Transport von Baumstämmen auf der Nagold, von der ein Großteil der Bewohner lebt. Dabei handelt es sich um eine harte und nicht ungefährliche Arbeit, bei der es schnell zu Unfällen kommen kann, nicht selten mit tödlichem Ausgang.

Zum anderen steht die von Geburt an blinde Wirtstochter Agnes im Fokus des Geschehens. Obwohl die ausgesprochen intelligente junge Frau das Leben mit ihrem Handicap hervorragend meistert, betrachten sie viele als „Krüppel“, stoßen sie umher und benutzen sie.


Eines Tages wird auf ihren Verlobten, den Flößer Hinrich, während seiner Arbeit ein heimtückischer Anschlag verübt. Nur knapp entgeht er dem Tod. Doch der mutmaßliche Täter kann ausfindig gemacht und eingekerkert werden.

Kein Glück dagegen hat Agnes' geliebter Bruder Friedel, der von einem umstürzenden Baumstamm tödlich getroffen wird.

Agnes selbst entgeht kurz darauf nur mit Hilfe einer List knapp einer Ver-gewaltigung. Doch in der gerichtlichen Untersuchung wird die Frau vom Opfer zur Täterin gemacht und der Hexerei beschuldigt. Der Mob sinnt auf einen kurzen (Hexen-) Prozess. Da nimmt das Geschehen eine unerwartete Wendung …


Resümee: Ein insgesamt gelungener Erstlingsroman von Bettina Schott!

Er liefert einen guten Einblick in den historischen Alltag der Bewohner Altensteigs im Schwarzwälder Nagold-Tal, inbesondere auch in die harte Arbeit der Flößerei. Naturgemäß müssen um der Authentizität willen viele Fachbegriffe verwendet werden, allerdings hätte ich mir hierzu ein ent-sprechendes Glossar gewünscht.


Die Geschehnisse um Agnes bindet die Autorin geschickt in den Gesamt-kontext ein: Die intelligente junge Frau, der man ihr Handicap im Alltag kaum anmerkt, hat gelernt, ihr Defizit unter anderem durch ein hervorragendes Gehör zu kompensieren. Dennoch haftet ihr gemäß damals gängiger Ein-stellung der Makel eines „Krüppels“ an, den man herumstoßen und be-nutzen kann und dem der Weg zu einem Studium verwehrt wird. Es wird deutlich, dass es letztlich diese diskriminierende Gesinnung ist, die eine verhängnisvolle Ereigniskette auslöst.


Die Handlungen beider Themenkomplexe – Flößerarbeit und Agnes' Schick-sal - sind unter anderem durch den Flößer Hinrich, Agnes' Verlobten, mit-einander verbunden. Sie erfahren durch die Aufklärung des Anschlags auf ihn und der Vergewaltigung, der die Frau nur knapp entgeht, viel Dramatik. - Gegen Ende wird noch einmal das Volturnus-Motiv aufgegriffen.


Allerdings geht an etlichen Stellen viel an Spannung verloren, da die Be-schreibung von Umgebung und Geschehen oft sehr, sehr langatmig ist.

Eine deutliche Straffung wäre der Aufrechterhaltung eines Spannungs-bogens dienlich gewesen.

Überhaupt hatte ich zum Teil den Eindruck, dass es das Anliegen der Autorin ist, dem Leser primär den historischen Aspekt – nämlich Leben

und Atmosphäre in der Flößerstadt zu damaliger Zeit - nahezubringen,

und dass die Handlung dem als Mittel zum Zweck eher untergeordnet ist.

Dafür spräche auch, dass besonders in der 1. Hälfte des Buches ein gerad-liniger Verlauf zugunsten vieler Verästelungen gelegentlich vernachlässigt wird.


Fazit: Ein sehr respektabler Erstlingsroman mit einigen Schwächen, die aber

   wohl auf dem Konto Erfahrung / Lehrgeld zu verbuchen sind und in

   einem 2. Werk meines Erachtens leicht behoben werden können.


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Kommentare: 1
  • #1

    Bettina Schott (Dienstag, 03 Februar 2015 09:57)

    Liebe Annette,

    herzlichen Dank für Deine aussagekräftige Rezension!
    Es ist interessant, wie die Leser meinen Roman so unterschiedlich aufnehmen. Ich hatte einen Leser, der sich sogar noch mehr Details über den Alltag der Flößer und alles rund um das Thema Holz in der damaligen Zeit gewünscht hätte. Aber auch ich denke, das wäre irgendwann zu viel geworden, und die Handlung/Spannung hätte darunter gelitten.
    So kann man es eben nicht allen recht machen, doch ich denke, ich habe einen akzeptablen Mittelweg gefunden.
    Ich freue mich jedenfalls sehr, dass Dir mein Roman unterm Strich so gut gefallen hat!

    Herzliche Grüße,
    Bettina Schott