Psychothriller
Weltweit verschwinden pro Jahr durchschnittlich
23 Personen von Kreuzfahrtschiffen, ohne je wieder aufzutauchen. Sebastian Fitzek benutzt dafür in seinem Roman das fiktive Codewort "Passagier 23". Aus Kostengründen
stellen die Reedereien auch in der Realität solche Fälle generell als Selbstmord hin - bei allen anderen Ursachen wäre das Schiff gezwungen, einen Hafen anzulaufen, meist langwierige Untersuchungen würden dort eingeleitet, Entschädigungen an die Mitreisenden müssten gezahlt werden usw.
Auch die Frau und der 10-jährige Sohn des Undercover-Ermittlers und Polizeipsychologen Martin Schwartz sind vor 5 Jahren von einem Urlaub
auf dem Kreuzfahrtschiff "Sultan of the Seas" nicht zurückgekehrt.
Bis heute konnte ihr Verschwinden nicht geklärt werden - aber an die Version eines Mitnahme-Suizids kann Schwartz einfach nicht glauben,
zu viel spricht dagegen.
Eines Tages erreicht ihn der Anruf einer alten Dame, die sich als Krimi-Autorin vorstellt, und auf der "Sultan" eine Dauerkabine besitzt. Sie be-hauptet, Hinweise zum Schicksal seiner Frau und des Sohnes zu haben.
Sofort begibt sich Schwartz zu ihr aufs Schiff und erfährt, dass kürzlich
zum ersten Mal ein "Passagier 23" wieder an Bord aufgetaucht sei: die kleine Anouk Lamar, die bei ihrem Auffinden den Teddy seines Sohnes
im Arm hielt. Lange bemüht er sich vergeblich um einen Zugang zu dem hochintelligenten, aber völlig verstörten Mädchen. Dabei wird er immer
mehr in unheilvolle Ereignisse auf dem Schiff hineingezogen.
Resümee: Nach einer kurzen Lesung des Autors und seiner ausführlichen, interessanten Schilderung des Schreibanlasses für diesen Thriller habe ich mir das Buch gekauft. Es war nämlich die Erwartung geweckt worden, dass der Leser in die ganz eigene, geschlossene Welt eines Kreuzfahrtschiffes entführt wird, etwas über das Leben in so einer schwimmenden "Kleinstadt" erfährt und die kriminelle Handlung in maritimer Atmosphäre spielt. Diese Idee fand ich sehr originell und faszinierend, jedoch hat sich dieser Eindruck leider als falsch erwiesen:
Es kommt kein bisschen "maritimes Flair" herüber, das gesamte Geschehen spielt sich primär unter Deck und in Kabinen ab und das Ambiente ist recht düster - die Story hätte mit wenigen Änderungen genauso gut z.B. in einem hermetisch abgeriegelten Hotel angesiedelt sein können.
Bei aller zweifelsohne vorhandenen Spannung und allem Nervenkitzel,
bei allen immer neuen Spuren und Hinweisen, die den Leser atemlos "mitlaufen" und immer neue "Haken schlagen" lassen, erscheint mir
vieles jedoch zu konstruiert, aberwitzig und verworren.
Klar kann man hier argumentieren: typisch Fitzek eben! Aber bei aller Fantasie sollte die Nachvollziehbarkeit und damit die Glaubwürdigkeit
doch erhalten bleiben.
Zur Verwirrung trägt auch die sehr hohe Anzahl kurzer Szenen bei - viele von ihnen "versickern" jedoch sang- und klanglos, ohne zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal aufgegriffen und in einen Gesamtzusammenhang gestellt zu werden. Der ständige Szenenwechsel führt dazu, dass der "Film im Kopf" immer wieder abrupt unterbrochen wird.
Eine Fülle von Charakteren, die allerdings zum Großteil blass und ober-flächlich bleiben, sorgt zusätzlich manchmal für Konfusion.
Ein Highlight besteht dagegen darin, dass der Autor nach der Danksagung inhaltlich unmittelbar an die Handlung des Prologs anknüpft und sie zu Ende führt.
Fazit: interessante Idee, bei welcher der Ort der Handlung jedoch nicht ent-
sprechend Berücksichtigung findet, und eine zu komplexe Handlung
mit zu vielen Einzelszenen und - meist farblosen - "Figuren".
Aber: Spannung und Nervenkitzel garantiert!
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