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Elmar Traks

Elmar Traks

Rolón, Gabriel - Der Psychologe (2016)

Kriminalroman

 

Der Argentinier Pablo Rouviot ist ein erfahrener und engagierter Psychologe, der sehr genau hinhört, wenn seine Patienten von ihren Problemen erzählen. Er versteht es, das Gesagte nicht nur bezüglich seines offensichtlichen Bedeutungsgehalts zu interpretieren, sondern erkennt auch die subjektiv-wertende Botschaft darin - also das, was durch Wortwahl und Stil oft unbewusst "mitgeliefert" wird. Und er "hört" auch das, was nicht erwähnt wird.

Eines Tages besucht ihn eine attraktive junge Frau in seiner Praxis - die Psychologiestudentin Paula Vanussi. Ihr Vater, ein einflussreicher und vermögender Geschäftsmann, ist vor einiger Zeit ermordet worden. Ihr Bruder Javier, der seit frühester Kindheit wegen einer schweren Persönlichkeitsstörung in psychiatrischer Behandlung ist, hat die Tat gestanden. Daraufhin ist er wieder in eine Klinik eingeliefert worden, wo ihm regelmäßig ein starker Medikamenten-Cocktail verabreicht wird.

 

Paula Vanussi bittet Pablo Rouviot, ein Gutachten zu erstellen, das Javiers Schuldunfähigkeit bescheinigt. Der Psychologe zögert zunächst, wird durch den Gedankenaustausch mit verschiedenen Personen aber immer tiefer in den Fall hineingezogen und will schließlich die ganze Wahrheit erfahren.

 

In vielen Gesprächen mit den Kindern des Ermordeten sowie Personen, die einen Bezug zu Familie und Fall haben, ist sein ganzes psychoanalytisches Können gefordert. Schließlich kommt er hinter ein schreckliches Drama, das sich hinter der Fassade des Hauses Vanussi abgespielt hat.

 

Resümee: Der Autor Gabriel Rolón ist studierter Psychologe und in seiner Heimat Argentinien, in der auch die Handlung spielt, ein renommierter Analytiker.

 

Die Faszination und Spannung dieses Buches liegen in folgenden Fragen, um die sich die dramatische Entwicklung des Geschehens rankt:

 

• Ist es immer gut, die absolute, oft sehr schmerzhafte Wahrheit zu

erforschen, wie es die hehre Absicht des engagierten Psychologen

Pablo Rouviot ist? Wem nützt bzw. schadet sie letztlich?

 

• Oder ist es manchmal nicht besser, bei einem bestimmten Erkenntnisstand

die Nachforschungen abzubrechen und den Rest im wohltuend-barmherzigen Dunkel zu belassen? Welches wären die Folgen für alle Betroffenen?

 

Und:

• Wer trifft die jeweilige Entscheidung?

 

Dem Leser geht es wie Pablo Rouviot:

Auch er möchte anfangs unbedingt erfahren, ob der an einer schweren Persönlichkeitsstörung leidende Javier Vanussi wirklich der Mörder seines Vaters und ggf. schuldunfähig ist. Welche Alternativen in Bezug auf Täter

und Motiv wären denkbar?

Genau wie der Psychologe gerät man jedoch immer mehr in einen Sog,

der einen mit zunehmender Gewissheit erahnen lässt, dass eine restlose Aufklärung der Tat mit der Aufdeckung eines schrecklichen Dramas verbunden sein wird.

Und schließlich fürchtet man die Wahrheit sogar, möchte am Ende am liebsten die Augen vor ihr verschließen.

 

Ich habe im Nachhinein noch lange darüber nachgedacht, ob es nicht für

die Betroffenen besser gewesen wäre, wenn Rouviot an einem bestimmten Punkt, an dem er bereits ein Gutachten über Javier erstellt hatte, die Suche nach der ganzen Wahrheit abgebrochen hätte. Zu einem klaren Ergebnis bin ich nicht gekommen.

 

Es finden in dem Roman keine polizeilichen Ermittlungen mehr zum Tod

des Geschäftsmanns Vanussi statt - die sind nach dem Schuldeingeständnis seines Sohnes und dessen Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik eingestellt worden.

Es geht vielmehr um die Recherchen des erfahrenen und engagierten Psychologen Pablo Rouviot. Diese erfolgt im Wesentlichen durch Gespräche, in denen er - wie bereits in der Inhaltsangabe beschrieben - das Gesagte fachlich interpretiert.

Es ist außerordentlich interessant, wenn er für den Laien gut verständlich

den Leser an seinen Überlegungen und den daraus folgenden Erkenntnissen teilhaben lässt.

 

Fazit: ein anspruchsvoller, fundierter, interessanter und dennoch

   unterhaltsamer Kriminalroman.

 

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