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Elmar Traks

Elmar Traks

Parianen, Franca - Woher soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage? Die Hirnforschung entdeckt die großen Fragen des Zusammenlebens (2017)

Franca Parianen forscht am Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. Schwerpunktmäßig beschäftigt sie sich mit neuronalen, hormonellen und entwicklungsbedingten Grundlagen des Zusammenlebens. Zentrale Fragen sind dabei, vereinfacht ausgedrückt, unter anderem diese:

Wie beeinflussen bestimmte Regionen des Gehirns unser Verhalten und Zusammenleben?

Was geht also in ihnen vor, wenn wir andere Menschen - seien es Einzelpersonen oder Gruppen - treffen?

Wie wirken sich z.B. Entwicklungsstadium, persönliche Erfahrungen, Emotionen und Hormone auf unsere Wahrnehmung aus?

Warum ist das soziale Miteinander nicht immer von Erfolg gekrönt, obwohl unser Gehirn sein Bestes gibt? Wo also liegen mögliche Fehlerquellen?

 

Die Autorin meint, dass wir wissen müssen, wie unser Gehirn funktioniert, wenn wir unsere Emotionen, unser Verhalten und unser soziales Umfeld besser verstehen wollen. Nur dann hätten wir auch mehr Geduld mit uns selbst und mehr Verständnis für unsere Mitmenschen.

 

Resümee: Obwohl ich an allen Fragen des Zusammenlebens seit jeher interessiert und berufsbedingt auf psychologischem, pädagogischem und sozialem Gebiet versiert bin, habe ich mich mit dem Einstieg in das Buch und die Thematik ziemlich schwergetan.

Denn:

 

1. Die oft sehr langen theoretischen Ausführungen zu Grundlagen der neurowissenschaftlichen Forschung waren meist nur schwer verständlich und erst nach mehrfachem konzentrierten Lesen nachvollziehbar.

Ein Laie hat hier kaum eine Chance, zumal auch kurze Zusammenfassungen am Kapitelende im gleichen Stil geschrieben, also wenig hilfreich sind.

 

Klar, ohne wissenschaftliche Fachausdrücke kommt ein Werk über diese Thematik nicht aus. Allerdings sollte man sich diesbezüglich auf ein unbedingt erforderliches Minimum beschränken und andere Fremdwörter tunlichst durch allgemeinverständliche Ausdrücke ersetzen.

Dies umso mehr, als der Buchtitel an sich sowie die lockere Cover-Aufmachung wohl ein breites Publikum ansprechen sollen. Eine adressatenbezogene, vereinfachte Version wäre für das Verständnis unbedingt erforderlich!

 

2. Die im Text zur Veranschaulichung der wissenschaftlichen Aussagen angeführten Beispiele waren für mich (s.o.) meist "alter Wein in neuen Schläuchen", um nicht zu sagen Binsenweisheiten, die auch interessierten Laien bereits hinreichend bekannt sein dürften. Hier gab es also keinen Erkenntnisgewinn.

 

Will sagen: Es besteht eine gravierende Unausgewogenheit in Bezug auf die Ansprüche an den Leser, die Punkte 1. und 2. betreffend.

 

Nach ca. 20 % auf dem Reader (entspricht etwa 70 Printseiten) werden die Schilderungen dann

nachvollziehbarer,

ausgewogener und nicht mehr so theorielastig,

teilweise richtig witzig (anfangs schien mir die Autorin krampfhaft um eine gewisse Lockerheit bemüht).

Obwohl aus dem ganz realen Alltag gegriffen, sind die Beispiele anspruchsvoller, d.h. nicht mehr bereits x-mal gehörte Muster.

 

Zum Schluss liefert die Autorin einen Ausblick, "Wie wir unser Gehirn ändern können".

 

Im Text sind 637 Fußnoten / Literaturverweise enthalten, deren Auflistung bei 78 % auf dem Reader beginnt, also gut 1/5 respektive fast 1/4 des Werkes einnimmt.

Diese Arbeitsweise ist ohne jeden Zweifel wissenschaftlich exakt.

Demgegenüber fehlt jedoch ein Verzeichnis der im Text verwendeten und nur beim ersten Nennen erklärten wissenschaftlichen Abkürzungen - im weiteren Verlauf werden sie als geläufig vorausgesetzt.

 

Bei den genannten Diskrepanzen stellt sich mir die Frage, für wen Franca Parianen das Buch wohl geschrieben haben mag:

Für den interessierten Laien ist es inhaltlich in langen Passagen zu schwer bis gar nicht verständlich, für Fachkollegen dagegen oft zu durchschnittlich. Beiden Gruppen wird das Buch also nicht gerecht.

Hat die Autorin ihre Erkenntnisse und Gedanken vielleicht für sich selbst zu Papier gebracht?

 

Last but not least ist der Buchtitel missverständlich und fördert eine falsche Erwartungshaltung:

Die Hirnforschung "entdeckt" nicht "die großen Fragen des Zusammenlebens", denn körpersprachliche, psychologische, soziale und andere Untersuchungen menschlichen Handeln gibt es bereits zuhauf (s.o. Punkt 2.).

Nein, hier wird diesbezüglich über Erkenntisse auf dem Gebiet der Kognitions- und Neurowissenschaften berichtet, also bekannte Phänomene aus dieser Sicht erklärt.

 

Fazit: Für mich als vorgebildetem Laien erforderte das Lesen dieses

Sachbuchs insgesamt, vor allem aber der erste Teil (siehe oben), ein hohes Maß an Konzentration und war nur in kleinen Einheiten möglich. 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    A.T. (Mittwoch, 26 April 2017 11:29)

    Über einen Kommentar zu meiner bei Amazon.de geposteten Rezension habe ich erfahren - und auf Richtigkeit überprüft! -, dass der Buchtitel ein Zitat von Grethe Weiser ist.
    Dies hätte von der Autorin natürlich unbedingt erwähnt werden müssen.