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Elmar Traks

Elmar Traks

Catozzella, Guiseppe - Sag nicht, dass du Angst hast (2014)

Eine wahre Geschichte

 

Samia Yusuf Omar wurde 1991 in der somalischen Hauptstadt Mogadischu geboren. In dem Land tobt ein Bürgerkrieg, die 9-köpfige Familie lebt beengt in ärmlichen Verhältnissen, das Geld reicht kaum zum Nötigsten.

Schon als Kind ist das Laufen Samias große Leidenschaft, und obwohl es nur unzulängliche Trainingsmöglichkeiten gibt, ist sie in lokalen Wettkämpfen stets schneller als alle anderen.  

So gut es geht, trainiert sie eisern in den Straßen ihres Viertels oder im desolaten heimischen Stadion - ohne professionellen Trainer, adäquate Ausrüstung und mangelernährt. Denn sie hat ein großes Ziel vor Augen: Die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2008 in Peking. Ihr großes Vorbild ist der ebenfalls in Somalia geborene und im Alter von 8 Jahren nach England ausgewanderte Läufer Mo Farah.

 

Mit moralischer Unterstützung ihrer Eltern, aber gegen den Widerstand der islamischen Extremisten kämpft sie verbissen für ihren Traum und meistert auch extrem schwierige Situationen.

Dabei hat sie immer den Rat ihres Vaters im Ohr, der einmal auf die Frage, ob er nicht Angst vor dem Krieg habe, antwortete: "Sag nicht, dass du Angst hast, kleine Samia. Niemals. Sonst fühlen die Dinge, vor denen du Angst hast, sich groß und glauben, sie könnten dich besiegen." (E-Reader, Pos. 407)

 

Und tatsächlich: Bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Peking trägt Samia Yusuf Omar stolz die Flagge ihres Landes.

 

Obwohl sie im Vorlauf der 200-Meter-Frauen weit abgeschlagen als Letzte ausscheidet, spornt sie dieses Ergebnis an, noch härter zu trainieren. Denn ihr nächstes Ziel sind die Olympischen Spiele 2012 in London.

 

Im Sommer 2011 reist sie durch Vermittlung des somalischen Olympischen Komitees nach Addis Abeba in Äthiopien, um beim dortigen Leichtathletik-Verband unter professioneller Betreuung zu trainieren. Daraus wird allerdings nichts, denn sie wartet viele Monate vergeblich auf die dazu erforderlichen Papiere der Regierung ihres Heimatlandes. Sie will sich schließlich nicht länger als zur Untätigkeit verdammte Illegale in Äthiopien aufhalten und entschließt sich mit Hilfe von skrupellosen Schleusern und finanzieller Unterstützung ihrer Familie zur Flucht nach Europa. Es ist der Beginn einer über ein halbes Jahr dauernden Odyssee, die sie im Dezember 2011 endlich total entkräftet nach Tripolis bringt.

 

Von dort aus soll es im April 2012 in einem Boot zusammen mit zahlreichen anderen Flüchtlingen schließlich nach Lampedusa gehen. Doch kurz vorm Ziel havariert das Boot, erst nach endlosen Stunden kommt ein italienisches Rettungsboot, um die Flüchtlinge aufzunehmen.

 

Samia ertrinkt bei dem Versuch, die Taue zu erreichen, die die Besatzung ausgeworfen hatte.

 

Resümee: An Samias Geschichte ist schon oft erinnert worden, sei es in Youtube- oder anderen Gedenkvideos oder mit einem Comic des Berliner Zeichners Reinhard Kleist.

 

Als der italienische Journalist Guiseppe Catozzella im Radio einen Bericht über Samia Yusuf Omar hörte, machte ihn das Geschilderte betroffen, und er wollte mehr über die unter so tragischen Umständen Verstorbene erfahren. Daher setzte er sich mit Samias 5 Jahre älterer, schon vor einigen Jahren nach Finnland ausgewanderter Schwester Hodan in Verbindung. In langen Gesprächen recherchierte er die Geschichte der nur 21 Jahre alt gewordenen Läuferin.

Entstanden ist schließlich ein ebenso spannender wie berührender Roman, der mit ihrem 8. Lebensjahr beginnt. Er ist aus Samias Perspektive in der Ich-Form erzählt, was für Lebendigkeit und Authentizität sorgt: Man freut sich mit ihr über ihre kleinen und großen Erfolge, bewundert sie für ihr Durchhaltevermögen gegen alle Widerstände und Unwägbarkeiten, hofft und leidet mit ihr.

 

Ihre Geschichte steht stellvertretend für die zahlreicher afrikanischer Ausnahme-Sportler, die sich in Europa bessere Bedingungen erhoffen, um ihre Ziele zu erreichen. Es wird deutlich, wie schwer, ja fast unmöglich es für sie - und erst recht für Frauen - ist, in ihrem Heimatland zu trainieren: ganz auf sich allein gestellt, ohne finanzielle Mittel, professionelle Trainer, adäquate Ausrüstung und Bedingungen sowie entsprechende Ernährung. Viele engagierte Athleten sehen als einzige Möglichkeit, ihre Ziele zu erreichen, die Flucht nach Europa.

 

Der Schluss macht betroffen, aber auch ratlos angesichts der scheinbaren Ausweglosigkeit und lässt den Leser nachdenklich zurück.

 

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