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Elmar Traks

Elmar Traks

Gäbler, Bernd - Bohlst du noch oder klumst du schon? (2013)

Der Siegeszug des Banalen und wie man ihn durchschauen kann

 

Der Autor schafft zunächst ein Problembewusstsein beim Leser, indem er schlüssig darlegt, "Warum uns Bohlen, Klum, Katzenberger,

Carmen und Robert Geiss oder Berlin - Tag & Nacht interessieren sollten".

Im Folgenden ist jedem der genannten Protagonisten respektive Sendungen ein Kapitel gewidmet:

 

• In "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) entscheidet der sogenannte Pop-Titan Dieter Bohlen,

• in "Germanys next Topmodel" (GNTM) die strenge Heidi Klum über das Wohl und Wehe der Kandidaten / Kandidatinnen.

Die Autorität der beiden Jury-Chefs ist unangefochten, darf von niemandem in Frage gestellt werden, auch nicht von den oft wechselnden Mit-Juroren. Als Zuschauer fragt man sich, warum die meist jungen Teilnehmer in Kauf nehmen, von diesen beiden "Tyrannen" immer wieder verbal gedemütigt bzw. körperlich gnadenlos an ihre Grenzen getrieben zu werden.

Und: Gibt es eigentlich einen Kriterienkatalog, nach dem man die Teilnehmer beurteilt und über ihr Weiterkommen entscheidet?

 

• Welches Erfolgsrezept verbirgt sich hinter dem Phänomen der Daniela Katzenberger (kurz: die Katze), die es vom "Aschenputtel" zum Dauerbrenner im deutschen Fernsehen geschafft hat? Wie kommt es, dass diese mit Hilfe der gesamten Kosmetikindustrie gestylte Frau von den meisten Zuschauern als "so natürlich" empfunden wird?

 

• In Bezug auf das prollige Millionärsehepaar Carmen und Robert Geiss ("Die Geissens") beschreibt der Autor anhand zahlreicher Beispiele, dass Reichtum für sie zwar immens wichtig ist, ihnen Aufmerksamkeit aber mindestens genauso viel bedeutet.

 

• Ein ganz anderes Format stellt die als Reality-Soap vermarktete Sendung "Berlin - Tag & Nacht" (BTN) dar, deren Prinzip unter der Überschrift "ein Kollektiv für die Generation Facebook" analysiert wird. Bewusst extrem dilettantische Schauspielerei soll die Botschaft suggerieren, dass das Gezeigte wahr sein muss.

 

In dem abschließenden Kapitel "Menschen als Marke" macht Bernd Gäbler einsichtig, dass die genannten Protagonisten sich u.a. so lange auf dem Bildschirm halten können, weil sie als Marke mit prägnanten Eigenschaften für den Zuschauen einen eindeutigen Wiedererkennungswert haben.

 

Würde man sie austauschen, würde das in den meisten Fällen über kurz oder lang das Aus der betreffenden Sendungen bedeuten.  

 

Resümee: Es ist das Anliegen des Autors zu verdeutlichen, dass "Das Unterhaltungsfernsehen (...) ein Radar für den Wandel gesellschaftlicher Normen" (Kapitel 2) ist. Dies ist ihm mit seinen Analysen, die durch Untersuchungsergebnisse und Aussagen anderer Fachleute ergänzt werden, hervorragend gelungen - und zwar in unterhaltsamer Form in einer für den Laien verständlichen Sprache.

 

Für mich ist es erschreckend zu sehen, dass die genannten Sendungen oft den Erziehungsbemühungen von Elternhaus und Schule zuwiderlaufen. Ist man auf der einen Seite bestrebt, Kindern und Jugendlichen Teamgeist, soziales Verhalten, kritisches Denken usw. beizubringen, so lernen sie in den genannten Castingshows, dass dies ihrem Fortkommen in keiner Weise dienlich ist. Egoismus und Ellenbogen sind gefragt, will man Erfolg haben.

Bei der riesigen Fangemeinde, die die Sendungen haben, kann dies für das soziale Miteinander, für die Gesellschaft, nicht ohne Folgen bleiben.

 

Eine weitere Rückwirkung ist z.B., dass den Jugendlichen bei Heidi Klum immer wieder gesagt wird, dass niemand per se schön sei, sondern man seinen Körper mit viel Disziplin und Hilfe der Kosmetikindustrie formen müsse. Diese Message ist für das Selbstbewusstsein der meist ohnehin wegen ihres jungen Alters noch labilen Kandidatinnen Gift und spielt zudem der Kosmetikbranche in die Hände.

 

Andere Kern-Botschaften der genannten Sendungen sind: Man muss nicht gebildet sein und einen guten Schulabschluss haben, um erfolgreich sein und viel Geld verdienen zu können. Und wenn man es zu etwas gebracht hat, muss man nicht "abheben", sondern kann so liebenswert, natürlich und ein Familienmensch bleiben wie z. B. Daniela Katzenberger.

Oder als "Geissen"-Variante: Als Millionär darf man einerseits ruhig mit seinem Reichtum angeben, den man sich ja schließlich ehrlich erarbeitet hat, bleibt andererseits aber authentisch mit bürgerlichen Idealen und durchaus menschlichen Eigenschaften und Defiziten.

 

Es geht dem Autor keineswegs um eine generelle Verurteilung der Sendungen und Genres Castingshow, Doku-Soap oder Scripted Reality. Sondern er möchte aufklären - siehe Untertitel: Die Mechanismen sollen durchschaut werden - und zur kritischen Auseinandersetzung mit ihnen anregen. Diesbezüglich sind auch Eltern und Schule gefordert, ihren Beitrag zu leisten.

 

Fazit: Dies ist ein Buch, das seinem im Untertitel genannten Anspruch

absolut gerecht wird. Auch für diejenigen, die bereits glauben, das Prinzip der jeweiligen Sendung zu kennen, ist es interessant, noch viel mehr Hintergrundinformationen und Insider-Wissen zu bekommen.

 

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