Roman (die Tuchvilla-Saga, Bd. 1)
Marie Hofgartner ist 18 Jahre alt, als sie 1913 eine Stelle als Küchenmagd im Haus des Augsburger Tuchfabrikanten Melzer antritt. Sie, die nach dem frühen Tod ihrer Eltern bis jetzt in einem Waisenhaus gelebt hat, ist überwältigt von der
prächtigen Villa mit dem straff durchorganisierten Dienstboten-Haushalt.
Doch die Eingewöhnung fällt ihr nicht leicht, zumal sie von den anderen Angestellten nicht mit offenen Armen empfangen wird.
Nach und nach lernt sie die Mitglieder der Fabrikantenfamilie besser kennen:
das Ehepaar Johann und Alicia Melzer und deren Töchter Katherina (genannt Kitty), Elisabeth (genannt Lisa) - beide um die 20 Jahre alt - sowie Sohn Paul, der in München Jura studiert.
Als dieser sich zur Eröffnung der Ballsaison in der Tuchvilla aufhält, verliebt er sich in Marie, die sich ebenfalls zu dem Firmenerben hingezogen fühlt. Doch einer ernsthafen Verbindung steht der soziale Unterschied im Wege.
Die künstlerisch ambitionierte Kitty freundet sich mit der ebenfalls an Malerei interessierten und begabten Marie an, was besonders vom Vater nicht gerne gesehen wird. Doch die Küchenmagd steigt zur Kammerzofe auf, und eines Tages wird dringend ihre Hilfe benötigt.
Resümee: Die Handlung dieses ersten Bands der Trilogie spielt von Herbst 1913 bis Juni 1914 überwiegend in Augsburg.
Bezogen auf das Leben der Industriellenfamilie ist sie ein Spiegelbild der Epoche: Der Tuchfabrikant Johann Melzer ist ein durch die Industrialisierung zu Wohlstand gelangter erfolgreicher Unternehmer. Zahlreiche Dienstboten zeugen von der hohen sozialen Stellung der Familie, die in einem Prachtbau lebt. Der gesellschaftliche Status beinhaltet Verpflichtungen wie z.B. das Ausrichten von glanzvollen Bällen, ausgesuchte Garderobe, Wohltätigkeitsveranstaltungen und natürlich eine standesgemäße Verheiratung der Kinder.
Die Charaktere sind gut herausgearbeitet - seien es die der Familienangehörigen, der Angestellten oder diverser anderer Akteure. Allerdings ist mir Marie viel zu positiv beschrieben - sie wirkt wie eine Heilige: intelligent und selbstbewusst, mit guten Umgangsformen und diplomatisch, ohne Makel oder charakterliche Schwächen.
Die Handlung bedient die gängigen Klischees - um nicht zu spoilern, werde ich an dieser Stelle nicht ins Detail gehen - und ist nicht nur deshalb an vielen Stellen vorhersehbar. Sie bleibt daher weitestgehend unspektakulär und weist einige ermüdende Längen auf.
Auch das Geheimnis um Maries Herkunft und ein damit verbundenes, vom Familienoberhaupt bislang sorgsam gehütetes Geheimnis, sind früh durchschaubar.
Der drohende Ausbruch des 1. Weltkrieges Ende Juli 1914 - also einen Monat nach Ende der Romanhandlung - sowie die damit einhergehenden Ängste und Sorgen während der Vorkriegszeit werden nur am Rande erwähnt. Hier wäre meines Erachtens mehr Einbettung in die historischen Ereignisse nötig gewesen, zumal mit Sicherheit die Tuchfabrik und Familie von den grundlegenden politischen Veränderungen betroffen sind.
Im Gegensatz dazu ist das Geschehen in einer heilen Welt angesiedelt, in der Probleme jedweder Art durch persönliches Engagement und menschliche Stärken positiv gelöst werden.
Fazit: im wahrsten Sinne des Wortes ent-spannende, leichte Unterhaltung.
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