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Elmar Traks

Elmar Traks

Wendelken, Barbara - Das Dorf der Lügen (2014)

Kriminalroman

Martinsfehn-Krimis, Band 1

 

Ein Anrufer meldet am Abend des 4. November dem Polizeirevier in Martinsfehn, dass sich jemand auf einem verlassenen und verfallenen Bauernhof herumtreibt. Revierleiter Renke Nordmann schickt Polizeioberkommissar Oliver Dellbrink und seine junge, noch unerfahrene Kollegin Viktoria Engel dorthin, um nach dem Rechten zu sehen.

Der Einsatz wird zu einem einzigen Albtraum:

In der Dunkelheit und bei schlechtem Wetter tritt Oliver auf dem Hof in ein Maulwurfsloch, knickt um und fällt hin. Er will seine hinter ihm gehende Kollegin rechtzeitig vor der Vertiefung warnen und schreit ihr erschrocken zu: "Pass auf!" Sie jedoch missinterpretiert die Situation, glaubt an eine Bedrohung, zieht ihre Dienstwaffe und schießt.

Völlig geschockt müssen beide kurz darauf feststellen, dass Vikoria Engel Rouven Kramer, den 16-jährigen Sohn des Pastors, tödlich getroffen hat.

 

Aus Angst vor beruflichen Konsequenzen inszenieren sie auf Drängen der jungen Polizistin den Tatort so, dass der Eindruck einer Notwehr-Handlung entstehen muss.

 

Der Plan scheint aufzugehen, doch in Martinsfehn kippt die Stimmung:

Ein Teil der Bewohner, darunter viele Jugendliche, ist davon überzeugt, dass Oliver Dellbrink und seine Kollegin die Vorgänge auf dem Bauernhof nicht wahrheitsgetreu dargestellt haben und durch das positive Untersuchungsergebnis ein Fehlverhalten der Polizisten vertuscht werden soll.

Worte wie "Polizeiterror" und "Bullenschwein" werden an Häuserwände gesprüht, Anti-Polizei-Kundgebungen und Fackelzüge veranstaltet, "Polizei" und "Polizist" als Schimpfwörter gebraucht.

 

Bei den Ermittlungen kristallisiert sich unterdessen heraus, dass außer dem getöteten Rouven höchstwahrscheinlich noch jemand - vermutlich eine Freundin - auf dem Hof war, aber beim Erscheinen der Polizei geflüchtet ist.

 

Knapp 3 Wochen nach dem Vorfall geht Viktoria Engels Wohnung durch Brandstiftung in Flammen auf, und es geschehen zwei Morde, bei denen die Leichen so präsentiert werden, dass ein Bezug zum Tod des Pastorensohns eindeutig ist.

 

Renke Nordmann und sein Team sowie die für Gewaltverbrechen zuständigen Beamten der Kripo Leer ermitteln auf Hochtouren, können aber weitere Morde nicht verhindern.

 

Resümee: Nachdem ich von dem Krimi "Die Stunde des Opfers", den die Autorin unter dem Pseudonym Anna Carls geschrieben hat, so begeistert war (Rezension vom 29. Juli), musste ich unbedingt weitere ihrer Werke lesen. Und ich bin nicht enttäuscht worden.

 

Die Handlung spielt in Martinsfehn, einem fiktiven Ort im ostfriesischen Landkreis Leer. Die Leitung des dortigen Polizeireviers hat der 39-jährige Renke Nordmann. Er ist seit 3 Jahren verwitwet und alleinerziehender Vater einer 16-jährigen Tochter. In Ausübung seines Amtes reagiert er stets besonnen und mit Augenmaß.

 

Erst seit 5 Wochen gehört die überaus attraktive Polizeikommissarin Viktoria Engel (23) zum Team. Sie hat gerade die Polizeischule absolviert und verdreht mit Ausnahme von Renke und dem kurz vor der Pensionierung stehenden Erwin Holtz ihren männlichen Kollegen den Kopf:

 

• Lorenz Bäumer (48) ist ein langweiliges Muttersöhnchen,

• Jens Stiller - mit 25 Jahren der jüngste männliche Beamte im Team -

    ist gerade mit seiner Freundin zusammengezogen,

• der verheiratete Oliver Dellbrink (Anfang 40) und seine Frau sind durch

    ihren bislang unerfüllten Kinderwunsch gestresst.

 

Viktoria Engel genießt den Wettstreit um ihre Gunst - was Renke allerdings schon nervt.

 

Doch der Abend des 4. November verändert alles: Die junge, unerfahrene Polizistin erschießt in Folge eines Missverständnisses den allseits beliebten Sohn des Pfarrers, und die für Gewaltverbrechen zuständige Kripo Leer, vertreten durch Oberkommissarin Nola van Heerden, muss ermitteln. Häufig kommt es in der Zusammenarbeit mit dem etwas älteren Renke Nordmann zu Kompetenzgerangel.

 

Alle - nicht nur die bereits genannten - ganz unterschiedlichen Charaktere sind hervorragend gestaltet: Mit all ihren persönlichen und beruflichen Nöten, Betroffenheiten und Problemen, aber auch Hoffnungen und Wünschen kommen sie sehr authentisch herüber. Um was auch immer es geht - der Leser entwickelt für die Protagonisten viel Verständnis, oft sogar Empathie.

 

Die Handlung hat viel Tiefgang, reißt den Leser nicht nur emotional mit, sondern ist auch extrem spannend. Immer wieder glaubt man, den perfiden Mörder zu kennen, im letzten Viertel des Buches war ich mir sogar absolut sicher. Doch dann gibt es immer wieder Wendungen, und seien sie noch so minimal, die die so hieb- und stichfest scheinende Theorie zunichte machen. Es ist, wie Renke Nordmann zu Nola van Heerden sagt: "Die Dinge ändern sich ständig, das siehst du ja. Eine kleine Information und schon erscheint alles in einem neuen Licht. Als guter Ermittler musst du jederzeit bereit sein, deine bisherigen Überlegungen zu revidieren (...)." (E-Reader, Pos. 5848).

 

Abschließend sei noch erwähnt, dass ich selten einen Krimi gelesen habe, bei dem einem der Prolog bis zum Schluss gedanklich so präsent ist.

 

Fazit: ein Krimi-Genuss mit Tiefgang und Hochspannung.

 

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