Ostfrieslandkrimi
1. Fall für Wibben und Weerts
Die Journalistin Hilke Wibben ist seit einem halben Jahr pensioniert und betreut in ihrem am Rande des ostfriesischen Dörfchens Moordorf gelegenen kleinen Haus liebevoll ihren im Sterben liegenden Onkel Ibbe.
In einer wachen Phase bittet dieser seine Nichte, zusammen mit deren Neffen, dem Schmuck- und Antiquitätenhändler Franziskus Weerts (34), einen Mordfall aufzuklären, der sich 1895 in Moordorf ereignet hatte. Opfer war der damals 13-jährige Teelko, ein Bruder von Ibbes Mutter. Die Tatumstände blieben damals im Dunkeln, ein Täter wurde nie ermittelt.
Keine einfache Aufgabe für das ungleiche Tante-Neffe-Duo, denn alle Zeitzeugen sind mittlerweile verstorben. Wo sollen sie also Informationen zu den damaligen Vorgängen, Lebensumständen und Familienverhältnissen erhalten?
Einziger Hinweis ist ein wertvoller Smaragdring, den der in extrem ärmlichen Verhältnissen lebende Teelko damals bei sich trug.
Resümee: Ich fand den Einstieg ins Buch sehr verwirrend:
• zum einen wegen der ausführlichen, weit über 100 Jahre zurückliegenden und bis in die Gegenwart reichenden Darstellung der verwandtschaftlichen Verhältnisse der Familie Wibben,
• zum anderen wegen des Verwobenseins der beiden Handlungsstränge aus vergangenen und gegenwärtigen Ereignissen.
Nach einigen aufeinanderfolgenden, längeren Kapitel, die im Jahr 1895 angesiedelt sind, lichtet sich das Durcheinander allerdings allmählich, sodass man gut ins Geschehen hineinkommt, und mit fortschreitender Entwicklung bekommt der Leser immer mehr Klarheit. Aber erst ganz zum Schluss schließt sich der Kreis, wenn Vergangenheit und Gegenwart aufeinandertreffen.
Durch die Schilderung der über 100 Jahre zurückliegenden Ereignisse um den 13-jährigen Teelko und seine Familie weiß der Leser meist mehr als Hilke Wibben und Franziskus Weerts, was für Spannung sorgt. Denn diese resultiert kaum aus den aktuellen Recherchen von Tante und Neffe.
Von Ermittlungen im engeren Sinne kann hierbei auch nicht die Rede sein - Wibben und Weerts stellen zwar ein paar Nachforschungen an, aber die Lösung des Falles liefert ihnen jemand anders. Diskussionswürdig finde ich es, ob man nach damals gängigen Maßstäben von einem "Kriminalfall" sprechen kann.
Dieser Ostfrieslandkrimi ist inhaltlich und stilistisch komplett anders als die Bücher um die Kommissare Büttner und Hasenkrug, die man von der Autorin kennt, und zu denen gegen Ende ein Mini-Schlenker gemacht wird.
Fazit: eine interessante und leidlich spannende Familiengeschichte,
die vor allem auch einen Einblick in die Lebensverhältnisse armer Leute um 1900 gibt. Aber ein (historischer) Kriminalfall?
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