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Elmar Traks

Elmar Traks

Kachelmann, Jörg und Miriam – Recht und Gerechtigkeit (2012)

Ein Märchen aus der Provinz

 

Am 20.03.2010 wurde der als Wettermoderator bekannte Jörg Kachelmann (* 1958) bei seiner Rückkehr aus Kanada am Frankfurter Flughafen verhaftet. Miriam (*1986), eine seiner damaligen Geliebten, heutige Ehefrau und Mitautorin dieses Buches, wollte ihn abholen und wurde Zeugin der Festnahme.

Kachelmann wurde besonders schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vorgeworfen.

Angebliches Opfer und Anklägerin war Claudia D., mit der Kachelmann – zeitgleich mit mehreren anderen Frauen - seit vielen Jahren ein Verhältnis hatte. Dies hatte er bei einem Besuch in ihrer Wohnung mit Sex und Abendessen am Tag vor seinem Abflug nach Kanada beendet.

 

Kachelmann beteuerte seine Unschuld, musste jedoch 132 Tage in Untersuchungshaft verbringen, bis der Haftbefehl am 29.07.2010 aufgehoben wurde.

 

In einem nervenaufreibenden und in Teilen fragwürdigen Prozess wurde für Kachelmann immer deutlicher, dass er von Justizvertretern, Medien, Frauen- und Opferverbänden bereits als Täter vorverurteilt war.

Claudia D. und einige Trittbrettfahrerinnen hingegen wurden unverdrossen als seine Opfer hingestellt. Gutachten, die etwas anderes ausdrückten, wurden negiert oder zurechtgebogen.

Solcherart sah und sieht sich der Wettermoderator als das eigentliche Opfer, die ihn anklagenden Frauen, Justiz, Medien, Frauen- und Opferorganisationen als Täter, die ihm in Unkenntnis, aus Unfähigkeit, Voreingenommenheit, Sensationslust oder wider besseres Wissen übel mitspielten.

 

Am 31.05.2011 erfolgte ein In-dubio-pro-reo-Freispruch. In der Urteilbegründung hieß es:

„Der heutige Freispruch beruht nicht darauf, dass die Kammer von der Unschuld von Herrn Kachelmann (…) überzeugt ist.“

[Anmerkung AT, da nicht mehr Gegenstand dieses bereits 2012 erschienenen Buches:

Im Herbst 2016 erfolgte durch den Senat des Oberlandesgerichts Frankfurt, das den Fall noch einmal aufrollte, der endgültige Freispruch mit der Feststellung, dass Claudia D.s Anschuldigungen falsch seien.]

 

Resümee: In einem Interview mit der FAZ vom 15.10.2012 antwortet Jörg Kachelmann auf die Frage, warum er, nachdem es nach dem Prozess ruhig um ihn geworden ist, nun mit dem Buch wieder ins Rampenlicht dränge:

 

„Weil es nicht um mich geht. Es ist kein Oh-der-arme-Kachelmann-Buch. Uns geht es um das Prinzip der Falschbeschuldigung. So etwas ist ja nicht nur mir passiert, sondern vielen anderen Prominenten und vor allem Nichtprominenten, von denen man nie liest (…).“

 

Dazu mehrere Anmerkungen:

1. In dem Buch geht es ausschließlich um Jörg (und Miriam) Kachelmann, um niemand anderen – d.h. um kein einziges anderes zu Unrecht angeklagtes Justiz-, Medien-, Frauen-, und Opferverbände-Opfer.

 

2. Man lese nie von anderen (Nicht-) Prominenten, denen Ähnliches wie dem Wettermoderator passiert ist? Das mag im Jahr 2012, in dem das Buch erschienen ist, und vor dem erst 2017 beginnenden Me-too-Hype gestimmt haben. Allerdings liest man auch im vorliegenden Buch so gut wie nichts über die vielen zu Unrecht der Vergewaltigung oder anderer Vergehen beschuldigten Personen. Abseits einer Pauschalierung finden ein paar sehr wenige en passant im Nebensatz Erwähnung – bevor sich dann wieder alles ausschließlich auf Jörg Kachelmann und im 2. Teil auch auf Miriam Kachelmann fokussiert.

Die zitierte Aussage ist an Scheinheiligkeit also kaum zu überbieten.

 

3. Wäre das Thema nicht so ernst und tragisch, dann hätte ich bei der Aussage, dies solle kein „Oh-der-arme-Kachelmann-Buch“ sein, laut losgelacht.

Denn genau das - und nichts anderes! - ist es.

Nach dem Motto „es macht einen guten Eindruck zuzugeben und zu bedauern, was offensichtlich und nicht wegzuleugnen ist“, räumt er zwar ein, dass es ein Fehler war, mehrere Geliebte gleichzeitig gehabt zu haben, die er abwechselnd „beglückte“. Allerdings war daran kein schlechter Wesenszug des angeblich gläubigen Kachelmann schuld. Nein, er, der so sensibel ist, dass er schon bei den ersten Szenen von „Findet Nemo“ weint, war einfach zu schüchtern und feige, um die Verhältnisse zu beenden. Sollte ein Mann in den 50-ern da nicht schon Strategien entwickelt haben?

Abgesehen von dieser Fishing-for-hugs-Einlage aber dominiert die detailreiche Schilderung seiner ganz persönlichen Via Dolorosa vom Zeitpunkt der Verhaftung am 20.03.2010 bis zum In-dubio-pro-reo-Freispruch am 31.05.2011.

Und dem an Kachelmanns Unschuld glaubenden Leser entfährt bei der Lektüre sicherlich nicht nur einmal der mitleidende Stoßseufzer „Oh-der-arme-Kachelmann“!

Dass ein gerüttelt Maß an Mitleid im Gegensatz zu seiner oben zitierten Aussage in Wahrheit von ihm wohl auch durchaus gewünscht ist, entlarvt dieser Kachelmann-Satz, der in einem Interview mit dem Nachrichtenportal „rosenheim24.de“ am 21.01.2013 gefallen ist:

„Nehmen Sie das darin [Anm. AT: in dem Buch] beschriebene Elend ruhig mal drei, dann kommen Sie der Wahrheit nahe.“ 

 

Vom Ausmaß seiner immensen Verletztheit und Verbitterung zeugt der oft sarkastische Stil, wenn es um die Unzulänglichkeiten und Fehler der deutschen Justiz und ihrer Vertreter in der Causa Kachelmann sowie um seine Behandlung durch die Medien, Frauenverbände und [J.K.: sogenannten] Opferschutzorganisationen geht. Mit ihnen allen rechnet er voller Selbstmitleid in diesem Buch ab, das ganz augenfällig seiner eigenen Auf- und Verarbeitung des in gut einem Jahr Erlebten dient – also einer Traumabewältigung.

 

Kachelmann stellt sich, wie oben bereits angedeutet, in dem Buch als überaus weich, sensibel, schüchtern und dicht am Wasser gebaut dar, als ein redlicher, gläubiger (im Sinne von religiöser) Mensch, der keiner Fliege etwas zuleide tun könnte.

Die ihn anklagenden Ex-Geliebten hätten ihm gegenüber nie Liebe empfunden, resümiert er. Bei den vielen parallel laufenden Liebschaften, die meist nur sporadisch „gepflegt“ wurden und die er zu feige und schüchtern war zu beenden, wage ich stark zu bezweifeln, dass er selbst den betreffenden Frauen tiefere Gefühle entgegenbrachte.

 

Diese Haltung durchzieht wie ein roter Faden das gesamte Buch:

Jörg Kachelmann ist zu 99% edlen Charakters, will niemandem etwas Böses, sagt immer die Wahrheit.

 

Die vermeintlichen Opferfrauen hingegen sind samt und sonders Märchenerzählerinnen, denen fatalerweise Medien, Opferorganisationen, Frauenverbände und selbst die Justiz glauben und ihnen auch noch ein breites Forum bieten.  

 

Hinzukommt noch die mehrmals erwähnte rechtliche Auseinandersetzung mit der Mutter seiner beiden (Kuckuck-) Söhne, mit denen er als liebevoller Vater regelmäßig telefoniert, die er häufig in Kanada besucht, und die ebenfalls unter seinem Haftaufenthalt gelitten haben.

Nicht zu vergessen die ARD, die die Zusammenarbeit mit dem „Wetterfrosch“ nach seiner Verhaftung aufgekündigt hat.

Ergo: Jörg Kachelmann voller Selbstmitleid erst alleine, später mit seiner Amazone Miriam gegen den Rest der Welt.

 

Recherchiert man im Internet zum Fall Kachelmann, wird deutlich, welche Aspekte er sehr detailliert schildert – nämlich die, in denen er das bemitleidenswerte Opfer geben kann, dem übel mitgespielt wurde - und welche er gar nicht oder nur im Nebensatz erwähnt. Letzteres ist der Fall, wenn er zunächst unerwähnt lässt, dass es sich bei dem Urteil im Mai 2011 um ein In-dubio-pro-reo-Urteil handelte incl. den von mir oben zitierten entsprechenden Teil der Urteilsbegründung, obwohl er sonst gerne komplette Schriftsätze einfügt. Später erwähnt er es am Rande, relativiert aber sofort, dass das ja egal sei, Hauptsache ein Freispruch.

 

 

Unklar bleibt – angeblich auch für das Ehepaar Kachelmann – das Motiv Claudia D.s und ihrer Trittbrettfahrerinnen für die Anklage. Ist es Rache (weil sie nicht die einzige Geliebte waren, weil Kachelmann ihnen vielleicht unerfüllte Versprechen gemacht hat), Geldgier, das Streben nach Aufmerksamkeit?  

 

Kachelmanns schreibt, wie bereits oben erwähnt, stellenweise sehr sarkastisch.

Sein Stil variiert von einfachem Satzbau und Umgangssprache, in der auch gelegentlich der Ausdruck „Scheiß- / Scheiße“ vorkommt, bis zu einem fast schon kafkaesken Stil, mit geschraubter, von Fremdwörtern gespickter Ausdrucksweise und verschachtelten Sätzen.

 

Miriam Kachelmann, zur Zeit der Verhaftung zum Kreis der Geliebten gehörend, dann als Zeugin vor Gericht aussagend, für ihn vehement kämpfend und noch während des Prozesses als Ehefrau an seiner Seite oft die Dinge für ihn in die Hand nehmend, beansprucht als Co-Autorin mit der Darstellung ihrer Sichtweise einigen Raum.

Auf mich wirkt sie extrem, unangemessen - und daher auf eine unsympathische Weise - selbstbewusst und dominant. In ihren Ausführungen signalisiert sie permanent, dass sie – und nur sie (bestenfalls noch ihr Mann) – den absoluten Durchblick hat und auf vielen Gebieten Expertin ist. Auch ihre Darstellungen sind absolut einseitig zugunsten Jörg Kachelmanns.

 

Fazit: Das Buch ist sehr interessant: Es gibt nicht nur eine, wenn auch

natürlich subjektiv gefärbte Darstellung der „Causa Kachelmann“, sondern wirft gleichzeitig einen entlarvenden Blick auf die Persönlichkeit eines selbstverliebten Egomanen.

Trotz des Triefens von Selbstmitleid mag in diesem Fall Kritik an Justiz, Medien, Opfer- und Feministinnenverbänden durchaus berechtigt sein, artet aber bei Jörg und Miriam Kachelmann in eine einseitige Schwarz-Weiß-Malerei aus.

 

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