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Elmar Traks

Elmar Traks

Lind, Hera – Hinter den Türen (2018)

Roman nach einer wahren Geschichte

 

Juliane Bressin und ihr Mann Jonathan sind engagierte Sozialpädagogen: Sie arbeitet halbtags in einer Kita, er ist Pflegedienstleiter in der Uniklinik. Zusammen mit ihren wohlgeratenen Kindern Tim (11) und Lilli (9) sowie Hund Socke wohnen sie in einem kleinen Reihenhaus am Rande des Kölner Stadtwalds. Sie führen ein perfektes Leben und könnten nicht glücklicher sein.

Eines Tages sieht Juliane in der Zeitung eine Anzeige, in der ein freier Jugendhilfeträger für drei 6, 10 und 12 Jahre alte Geschwister eine pädagogisch qualifizierte Pflegefamilie sucht. Die Bressins möchten ihr Glück gerne teilen und auch den eigenen Kindern zeigen, dass es nicht alle so gut wie sie haben. Daher bewerben sie sich darum, die drei „ganz normalen Kinder“, wie ihnen versichert wird, bei sich aufnehmen zu dürfen.

 

Nach einem extrem steinigen und langen Behördenweg können die drei Geschwister – ein Junge und zwei Mädchen mit thailändischen Wurzeln – endlich bei ihrer Pflegefamilie einziehen, wo sie von allen liebevoll aufgenommen werden.

Doch es stellt sich schnell heraus, dass die Kinder keineswegs „ganz normal“ sind, sondern schwerst traumatisiert und verhaltensauffällig. Ganz besonders die extrem aggressive Malie bräuchte dringend qualifizierte therapeutische Hilfe. Doch die zunehmend verzweifelter werdenden diesbezüglichen Appelle von Juliane und Jonathan werden von den für die Entscheidung Zuständigen – Stiftungsgründerin, Jugendamt, amtlicher Vormund – vehement abgeschmettert.

 

Die Bressins sind in einem wahren Albtraum gelandet, der auf eine Katastrophe zusteuert.

 

Resümee: Hera Lind hat die Geschichte einfühlsam, spannend, sowie anfangs und zum Schluss auch humorvoll – dazwischen wäre dies auch nicht angemessen gewesen – erzählt.

 

Der Untertitel sagt, dass dies ein Roman „nach einer wahren Geschichte“ sei. Im Nachwort allerdings erklärt die Autorin, dass gegenüber den realen Ereignissen und Daten viel geändert worden ist:

• Das Umfeld der Stiftungsgründerin, die eine ganz zentrale Rolle spielt, ist ebenso frei erfunden, wie deren private Situation und Wandlung am Schluss.

• Der Hintergrund der drei Pflegekinder und der anderer Akteure ist stark verändert wiedergegeben,

• andere Figuren sind frei erfunden – von denen zwei in der Handlung eine tragende Funktion haben.

• Ein wichtiger Teil des Happy Ends stimmt nicht mit der Realität überein.

 

Dies alles ist zum Teil aus rechtlichen Gründen geschehen und um Beteiligte zu schützen. Aber wenn schließlich nur noch der Kern der realen Ereignisse übrig bleibt, die die Motivation zum Schreiben dieses Romans gewesen sind, kann man dann noch titeln „nach einer wahren Geschichte“? Für mich ist das zumindest grenzwertig.

 

Einige Passagen sind recht langatmig geschildert, eine Raffung hätte der Eindringlichkeit sicher nicht geschadet. Inhaltliche Wiederholungen oder Ähnlichkeiten dagegen machen insofern Sinn, als sie die Eskalation der Ereignisse deutlich veranschaulichen.

Als Leser steht man fassungslos vor der Unprofessionalität, Ignoranz, Unwilligkeit – wie immer man es nennen will – der Amtspersonen, die der Pflegefamilie Hilfe regelrecht verweigern; selbst dann noch, als es zur Katastrophe kommt.

 

Als Protagonistin steht Juliane Bressin im Mittelpunkt: eine engagierte, mutige und starke Frau, die sich konsequent für ihre Werte und Ideale einsetzt.

Ob ihr Verhalten immer situationsangemessen ist, sei dahingestellt; die ein oder andere (Über-)Reaktion und Entscheidung ist sicher der Extremsituation geschuldet, in der sich alle befinden. In jedem Fall wird deutlich, dass sie stets nach bestem Wissen und Gewissen handelt und das Wohl aller Pflegekinder im Blick hat – auch wenn dies manchmal zulasten ihrer „Kernfamilie“ geht.

 

Fazit: ein dramatisches Buch, das viele Fragen aufwirft

   und zum Nachdenken anregt.

 

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