Roman
Die Pastorin Anna von Betteray (35) wird als Vertretung für einen kranken Kollegen in die niederrheinische Gemeinde Alpen versetzt. Ganz in der Nähe wohnen auch ihre Schwester Maria mit Familie sowie ihre verwitwete Mutter. Letztere ist nicht nur erzkatholisch, sondern bildet sich auch viel darauf ein, dass sie durch die Hochzeit mit einem Adligen den Sprung in die sogenannte bessere Gesellschaft geschafft hat – so ist man schließlich wer!
Anne jedoch hat den evangelischen Glauben angenommen, ist nach der Ehe mit einem Bürgerlichen geschieden und sowieso „die Kuh, die immer quer im Stall steht“.
In ihrer neuen Gemeinde stößt sie auf Skepsis: Erstens ist sie eine Frau, zweitens für den Posten doch viel zu jung, drittens geschieden und dann viertens auch noch adelig.
Während sie trotz aller Vorbehalte versucht sich einzuleben, wird der Mann ihrer Vorzeigeschwester Maria wegen illegaler Cum-Ex-Geschäfte verhaftet. Für Maria und ihre Mutter stürzt eine Welt ein – was sollen bloß die Leute denken!? Welch eine Blamage!
Als dann auch noch ihr 11-jähriger Sohn Sascha entführt wird, bricht Maria vollends zusammen und ist nicht mehr handlungsfähig.
Anna nimmt das Heft in die Hand und wird von der 90-jährigen Tante Ottilie unterstützt.
Im Gegensatz zu ihnen glaubt jedoch die Polizei nicht an eine Entführung durch Fremde. Anna hat alle Hände voll zu tun.
Resümee: Anna von Betteray ist von Anfang an sympathisch: eine Kämpferin, die im Gegensatz zu ihrer Schwester nach Niederlagen immer wieder aufsteht, und sich nichts auf ihre adlige Herkunft einbildet. Obwohl sie in ihrer neuen Gemeinde kritisch beäugt wird, der Tratsch blüht und so manches Gerücht die Runde macht, lässt sie sich nicht unterkriegen.
Annas und Marias Mutter jedoch – durch Einheirat adlig geworden, von großem Standesdünkel und auf Außendarstellung bedacht – ist mir zu klischeehaft überzeichnet. Zum Schluss ändert sie ihre Einstellung zwar ein wenig; jedoch habe ich Zweifel, dass dies grundsätzlicher Natur ist.
Dies trifft auch auf die „gute Seele“ des Pastorenhaushalts zu, die am Schluss eine Wandlung durchmacht. Diese erfolgte so abrupt von einem Moment auf den anderen, dass es für mich unglaubwürdig war.
Anne Gesthuysen beschreibt die skeptische, neugierige und tratschsüchtige Gemeinde humorvoll mit einem Augenzwinkern.
Die Handlung ist an sich spannend, jedoch wird der Erzählfluss durch die zahlreichen Schauplätze und Rückblenden immer wieder unterbrochen.
Das größte Manko sehe ich jedoch darin, dass man aufgrund des Klappentextes einen anderen inhaltlichen Schwerpunkt erwartet:
Es ist kaum, wie suggeriert, von Annas beruflicher Tätigkeit als Pastorin
die Rede, geschweige denn von ihren Bemühungen, die Gemeinde zu modernisieren.
Im Mittelpunkt stehen – auch in den zahlreichen Rückblenden – vielmehr ihre in den Hochadel eingeheiratete Schwester und deren Familie. Im Gegensatz zu Anna ist diese fremdbestimmt, tut, was sich vermeintlich in ihren Kreisen gehört, und was man von ihr erwartet. Nach und nach bröckelt die schöne Fassade jedoch immer mehr ab, bis sie schließlich vor den Trümmern ihrer Existenz steht.
Fazit: trotz aller Negativ-Kritik ein unterhaltsamer, stellenweise sogar
spannender Roman
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