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Elmar Traks

Elmar Traks

Kastner, Heidi – Schuldhaft (2012)

Täter und ihre Innenwelten

 

Heidi Kastner erzählt in diesem Buch in 10 Kapiteln von

sehr unterschiedlichen realen Verbrechen, verübt von ganz verschiedenen Personen, was Herkunft, Lebensumstände und Sozialisation anbelangt. Im Anschluss an die jeweiligen Schilderungen beleuchtet sie die Innenwelt der Täter, erklärt das „Warum“.

. Da ist z.B. Herr S., der als jüngstes von 6 Kindern und als einziger Sohn

in Nordafrika geboren wurde. Sein Vater lässt sich nur sporadisch blicken, sodass Herr S. bis zum 6. Lebensjahr sein Leben in überwiegend weiblicher Gesellschaft verbringt. Dann jedoch lernt seine Mutter einen neuen Mann kennen … und alles ändert sich. - Hier spielt Narzissmus die entscheidende Rolle.

 

. Frau K. wird in Tschechien in eine angesehene und vermögende Familie hineingeboren. Doch in der Ehe der Eltern fängt es an zu kriseln, sie selbst bekommt nicht die gewünschte Zuwendung. In der Schule ist sie die Klassen-beste, doch ein Studium bricht sie ab und erntet dafür die Verachtung der Mutter. Ihr Leben nimmt fortan eine ungute Entwicklung. - Erklärt wird anschließend das Bild der Hysterie.

 

. Herrn F.'s Leben ist von Ordnung bestimmt: Er braucht einen geregelten Tagesablauf, die Stabilität des Familienlebens und selbst kleinste Entscheidungen müssen akribisch überlegt werden. Doch eines Tages gerät er in ein folgenschweres Dilemma. - Welche Merkmale hat eine Neurose?

 

. Eigentlich ist Herr A. mit seiner Lebenssituation ganz zufrieden: In seiner Familie lässt man sich in Ruhe, solange gewisse Prinzipien eingehalten werden, große Gefühlsausbrüche gibt es nicht. In der Schule ist er zwar Außenseiter, aber andererseits ganz froh, dass man ihn nicht behelligt.

Später beim Bundesheer gibt es klare Regeln, und im Job hat er einen konkret umrissenen Aufgabenbereich. Als er einer Dienstreise nicht aus

dem Weg gehen kann, bedeutet dies für ihn den Anfang einer Abwärtsspirale. - Es liegt eine schizoide Störung vor.

 

. Herrn B. wird sein späterer Beruf bereits mit der Geburt in die Wiege gelegt: Er soll einmal den elterlichen Friseurbetrieb übernehmen. Doch der Sohn erweist sich als völlig untalentiert, sein großes Interesse gilt dem Entwerfen von technischen Neuerungen – ein fatales Dilemma. - Wahnhaftes Verhalten ist für diesen Fall kennzeichnend.

 

. Die Eltern von Herrn F. sind mit ihrer Kinderschar total überfordert. Er klammert sich an die Mutter, passt sich in der Schule an und heiratet eine Frau, die ihn nach ihren Wünschen formt. Die Ehe scheitert, aber Herr F, stellt fest, dass er sich mit Gott unterhalten kann. - Es liegt eine Schizophrenie vor.

 

. Frau M. wächst zwar in stabilen Verhältnissen auf, auch wenn es primär die Großeltern sind, die sich um sie kümmern. Wie von ihr erwartet, arbeitet sie nach der Schule im elterlichen Betrieb, hat mehrere kurze Beziehungen und findet den Partner fürs Lebens schließlich während eines Urlaubs. Doch die Ehe verläuft nicht gut, aber ein Kind würde mit Sicherheit die Rettung sein.

 

. Frau F. fügt sich in ihr Schicksal und nimmt die Dinge, wie sie halt kommen. Auch dass sie auf eine Sonderschule kommt und später als Küchenhilfe in verschiedenen Gasthäusern arbeitet, ist ihr egal. Als sie einen Mann kennen-lernt, wird sie schwanger, der Mann schlägt sie, sie wird arbeitslos. Nach dem Tod des Kindsvaters kümmert sich sein Bruder um sie. Sie wird erneut schwanger, doch ein weiteres Kind steht absolut außerhalb ihrer finanziellen und persönlichen Möglichkeiten. - Die beiden letztgenannten Fälle sind ganz unterschiedliche Beispiele für Verleugnung.

 

. Herr N. verbringt 24 Jahre wegen Mordes in Haft, verurteilt in einem Indizienverfahren. Gestanden hat er die Tat nie, sondern gibt immer wieder an, dass der wahre Täter sich auf freiem Fuß befindet. Dennoch ist er mit sich und der Welt im Reinen. Am Entlassungstag jedoch gibt es eine unerwartete Überraschung. - Ein Fall von später Reue.

 

. Herr O. wächst in äußerst unsicheren Verhältnissen auf. Als Erwachsener zieht er in ein Obdachlosenheim, sucht sich eine Tätigkeit und gründet sogar eine Familie. Doch Hals über Kopf zieht er irgendwann aus, wird geschieden … und landet später wegen Mordes in Haft. Er wird dort nie auffällig und will sich mit Hilfe der Freikirche ein solides Leben aufbauen. - Wie stehen die Prognosen?

 

Resümee: Heidi Kastner ist Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie

und arbeitet als Chefärztin an der Universitätsklinik Linz. Als forensische Psychiaterin und Gerichtsgutachterin erstellt sie Täterprofile.

 

Titel und Untertitel diese Buches sind Programm, denn in den einzelnen Kapiteln werden zunächst in einer Kurzbiografie die sozialen Hintergründe sowie der Werdegang des Täters und sein Verbrechen geschildert. In einem zweiten Teil wird das schuldhafte Verhalten mit einer psychischen Erkrankung/Persönlichkeitsstörung – assoziiert. So ist es möglich, die Innenwelt des Straftäters besser zu verstehen. Allerdings muss der Leser

die Zuordnung der genannten Merkmale zu dem geschilderten Fall selbst vornehmen, denn auf diesen wird bei den fachlichen Ausführungen kein Bezug mehr genommen.

 

Allen Geschichten gemeinsam ist, dass es sich bei den straffällig Gewordenen um Menschen mit einer Persönlichkeitsstruktur handelt, die sie unter ganz bestimmten - für sie fatalen - Umständen zu Tätern werden ließ. Hätte es dieses bestimmte Ereignis, diese Wende in ihrem Leben nicht gegeben, dann hätten sie möglicherweise als unbescholtene Bürger weitergelebt.

 

Fazit: ein Buch für interessierte Laien, die mehr über die einer Tat zugrunde

   liegenden Hintergründe wissen wollen

 

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