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Elmar Traks

Elmar Traks

Watson, Sue – All die kleinen Lügen (2022)

Thriller

 

Marianne ist der Aufstieg aus niedrigen sozialen Verhältnissen gelungen:

Sie ist mit Simon, einem gutaussehenden, charismatischen Mann und erfolgreichen Herzchirurgen verheiratet, lebt in einer Nobelgegend und

hat drei Kinder – die 17-jährige Sophie stammt aus Simons erster Ehe,

die 6 Jahre alten Zwillinge Alfie und Charlie sind gemeinsame Söhne.

Marianne hat ihre beruflichen Ambitionen aufgegeben und kümmert sich stattdessen mit Hingabe um Haushalt und Familie. Sie könnte es nicht

besser haben – findet sie.

Simon hingegen geht in seiner Tätigkeit auf, fühlt sich zu Höherem berufen und arbeitet an seiner Karriere. Auch nach Feierabend zu Hause kann er nur schwer abschalten und will sich nicht mit so etwas Banalem wie Haushalt und Familienleben abgeben. Aber Marianne versteht das und möchte gar nicht anders leben – sagt sie.

Schließlich hätte sie sich früher so ein Leben, das sie nur Simon zu ver-danken hat, nie träumen lassen. Ihre Schlussfolgerung: Ohne ihn wäre sie

ein Nichts.

 

Wenn ihr ausnahmsweise mal alles zu viel wird, würdigt Simon ihre Tätigkeit, indem er versichert, dass diese nicht weniger wichtig als sein Job sei, den er ohne ihren Einsatz nicht so engagiert ausüben könne. Und schließlich finanziere er mit ihm ja auch ihren luxuriösen Lebensstil. Aus so einem Lob schöpft Marianne dann neue Energie.

 

Nur dass sie keine Freundinnen mehr hat, das belastet sie. Aber Simon hat ihre Bekannten nie gemocht, sie allesamt kritisiert und sie seiner Frau ab-spenstig gemacht. Doch auch hier macht sie sich vor, dass er ja auch recht habe, denn schließlich habe sie als Hausfrau, Ehefrau und Mutter genug zu tun, als dass sie mit anderen in Cafés sitzen und belanglose Gespräche führen sollte.

 

Als Simon eines Morgens beim Frühstück den Namen „Caroline“ haucht, ist Marianne zwar alarmiert, kennt jedoch keine Frau dieses Namens und will keine vorschnellen Schlüsse ziehen. Dennoch weiß sie in ihrem tiefsten Inneren, dass die Unbekannte eine Gefahr für sie zu werden droht. Auf Nach-frage gibt sich Simon zunächst ahnungslos und heuchelt Gleichgültigkeit, als er erklärt, dass Caroline Harker eine junge, neue und sehr talentierte Kollegin sei.

 

Doch Marianne ist eifersüchtig, versucht dies aber zu verdrängen. Erst nach-dem sie die fantastisch aussehende Caroline beim Einkaufen getroffen haben, fängt es in Marianne an zu gären und sie will mehr über diese Frau erfahren, von der sie mittlerweile glaubt, dass sie ihre Ehe, nein: ihr ganzes Dasein bedroht, weil sie ihren Platz an Simons Seite und als Mutter ihrer Kinder einnehmen will.

 

Resümee: Dieser Thriller zieht einen sofort in seinen Bann und lässt einen nicht mehr los. Er beginnt „in medias res“, als Simon eines Morgens beim Frühstück den Namen „Caroline“ auf eine Weise haucht, dass bei seiner Frau Marianne die Alarmglocken schrillen. Auf Nachfrage gibt er betont sachlich Auskunft, und die morgendliche, wie immer leicht chaotische Routine nimmt ihren Lauf. Marianne lässt den Leser dabei an ihren Gedanken teilhaben, in denen sie die Schilderung ihrer oft anstrengenden Alltags als Hausfrau, Ehefrau und Mutter mit dem Statement abschließt, dass sie es nicht besser haben könnte und kein anderes Leben möchte.

 

Doch der Gedanke an besagte Caroline, die neue, junge, talentierte Kollegin ihres charismatischen Ehemannes, lässt ihr keine Ruhe. Diverse Vorkomm-nisse sorgen dafür, dass die Eifersucht in ihr gärt, sie schließlich mehr über die potenzielle Rivalin erfahren möchte. Ihre ersten Recherchen sind der Start für eine an Spannung stetig zunehmende Eskalationsspirale, während der Marianne ein immer stärkeres Gefühl der existenziellen Bedrohung durch

„die andere“ entwickelt. Parallel dazu erreicht Simons narzisstisch geprägter Psychoterror immer neue Dimensionen und sorgt für zusätzlichen Spreng-stoff.

Doch noch gelingt es Marianne, sich mit Hilfe von Medikamenten und

„all den kleinen Lügen“ sich selbst und anderen gegenüber mental über Wasser halten, sich ihr Leben schönzureden.

 

Einen ersten Höhepunkt erreicht die Dramatik dann ca. bei der Hälfte des Buches.

Hier trifft die sich mittlerweile in ihrer Existenz als Ehefrau und Mutter bedroht fühlende Marianne eine Entscheidung, die einen Wendepunkt bedeutet. Die Spannung setzt sich anschließend auf einer anderen Ebene fort und führt zu einem geradezu brillanten Schluss mit gleich mehreren ungeahnten Wendungen.

 

Dieser Handlungsverlauf macht das Buch zu einem Psychothriller und Pageturner, der einen nicht loslässt. Und das, obwohl das Buch – in der Ich-Perspektive aus Mariannes Sicht geschrieben – ein einziger innerer Monolog ist, in dem sie die Entwicklung, die ihr Leben genommen hat und aktuell nimmt, aus ihrer subjektiven Sicht beschreibt und bewertet.

 

Im Mittelpunkt steht neben ihr aber auch ihr Ehemann Simon, der seine eigene berufliche Leistung ins Zentrum der Bewunderung stellt, skrupellos ihre Gefühle ausnutzt, sie zu seiner willfährigen Marionette macht.

Psychoterror, Zermürbungstaktik und auch körperliche Gewalt sind bei ihm

an der Tagesordnung, nehmen bei Unzulänglichkeiten und „Regelverstößen“ zu. Anderen gegenüber verbreitet er stets Lügen über die Befindlichkeit

seiner Ehefrau – und zwar keine kleinen. Dabei gibt er sich außerordentlich charmant, wird allseits bewundert … und Marianne um ihn beneidet.

 

Bis sie aktiv wird und das Blatt sich wendet.

 

Fazit: Dieses ungewöhnliche Buch ist ein Psychothriller par excellence

   und ein wahrer Pageturner

 

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