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Elmar Traks

Elmar Traks

Geschke, Linus – Die Verborgenen (2023)

Sie leben in deinem Haus, und du weißt es nicht

Thriller

 

Seit einigen Tagen beobachtet jemand das idyllisch gelegene Haus an der Nordsee, in dem Sven und Franziska Hoffmann mit ihrer

17-jährigen Tochter Tabea wohnen. Sie scheinen eine perfekte Familie

zu sein: Der Vater arbeitet als Journalist, die Mutter tageweise in einem Tourismusbüro, und Tabea macht demnächst das Abitur.

Wenn die Bewohner nicht daheim sind, dringt der Unbekannte ins Haus

ein, erkundet es, richtet sich schließlich auf dem Dachboden ein, lebt dort unbemerkt, bedient sich an den Vorräten, nutzt das Bad usw. Er ist ein sogenannter Phrogger.

Doch diesem Eindringling geht es um mehr:

Er will Svens und Franziskas Leben genau erforschen, sorgsam gehütete Geheimnisse aufdecken, um die Erkenntnisse dann gegen sie zu verwenden und dafür zu sorgen, dass die heile Fassade zerstört wird. Großes Interesse gilt auch Tochter Tabea.

Nach und nach gelingt es ihm, die Familienmitglieder zunächst zu verun-sichern: Woher kommen z.B. die fremden Fußspuren im Keller? Warum

steht eine Schublade offen, in der Franziska Reizwäsche vor ihrem Mann versteckt? Warum ist die Packung mit den Cornflakes plötzlich leer?

Aus dieser Verunsicherung erwächst dann mit Zunahme der unerklärlichen Vorkommnisse im Haus nach und nach immer größer werdendes Misstrauen zwischen den Eheleuten. Die nach außen aufrecht gehaltene heile Fassade bröckelt immer mehr und bricht schließlich zusammen.

 

Resümee: Es kommt beim Lesen dieses Buches nur selten Spannung auf – dies ist vor allem im letzten Viertel der Fall. Und am Ende des 1. Teils, als die Identität des Phroggers aufgedeckt wird, habe ich gestutzt – mehr aber auch nicht, ansonsten ist vieles sehr vorhersehbar.

Lange habe ich vergeblich auf eine überraschende Wende gewartet, die

das Ruder noch herumreißt. Hinzukommt, dass ich nicht einmal (!) mit den Protagonisten mitgefiebert oder Empathie empfunden habe.

 

Bis zum Schluss fragte ich mich, worum es in diesem Buch eigentlich vorrangig geht.

Um die desolate Beziehung von Sven und Franziska Hoffmann, die im Grunde von Anfang an zum Scheitern verurteilt war, die beide aber – angeblich der Tochter zuliebe – aufrechterhalten wollen? Beide haben

längst eine außereheliche Affäre, mit der sie sich eine gemeinsame Zukunft wünschen. Sie glauben aber, dass der andere Ehepartner das nicht weiß und trauen sich nicht, ihm dies mitzuteilen, um dann die Trennung zu vollziehen. Beiden Eheleuten sind Kapitel gewidmet, in denen sie das Geschehen und ihre persönliche Situation in der Ich-Form schildern.

 

Oder ist das primäre Anliegen des Autors und Journalisten (!) Linus Geschke, dem Leser das Phänomen „Phrogger“ nahezubringen? Das könnte man meinen, weil dem Eindringling ins Haus der Hoffmanns immer wieder Kapitel mit der Überschrift „Du“ gewidmet sind. Aber was hätte man aus der unge-heuerlichen Vorstellung, dass man einen ungebetenen „Gast“ im Haus hat, der sich in der Abwesenheit der Eigentümer dort wie zu Haus fühlt und auch nachts herumgeistert, sogar neben dem Bett steht, alles an Gruseleffekt herausholen können!

 

Oder soll der Mord an Tabeas Freundin Rebecca aufgeklärt werden? Dann werden allerdings die dazu erforderlichen Ermittlungen viel zu minimalistisch abgehandelt.

Ein in diesem Zusammenhang eingefügter ca. 3 ½ Seiten langer sachlicher Exkurs zum Verschwinden der damals 9 Jahre alten Peggy Knobloch im Jahr 2001 und der 21-jährigen Frauke Liebs 2006 unterbricht den Handlungsfluss, was der Spannung keineswegs dienlich ist. Solche Abschweifungen – wenn auch kürzere – gibt es etliche.

 

Der Autor selbst sagt im Nachwort, dass es ihm primär darum gehe, darzu-stellen, was Menschen voreinander zu verbergen versuchen. Die Phrogger stehen dafür ebenso stellvertretend wie die Mitglieder der Familie Hoffmann.

 

Die einzelnen thematischen und personenbezogenen Fäden hängen mehr oder weniger beziehungslos nebeneinander, werden nacheinander immer wieder aufgegriffen, aber eine (dauerhafte) Verknüpfung, d.h. ein in sich stimmiges Ganzes kommt nicht zustande. Und der Schluss wartet dann –

wie bereits oben geschildert – zwar mit ein paar Überraschungen auf, ist insgesamt aber schwach.

 

Fazit: Während auf dem Buchcover das Genre wenigstens „nur“ mit Thriller

angegeben ist – was aus den genannten Gründen schon übertrieben

ist - , protzt der Titel bei Amazon mit „Psychothriller der Extraklasse“. Manchmal täte es gut, die Bälle ein wenig flach zu halten, statt eine derartig hohe Erwartungshaltung zu wecken, die dann absolut nicht erfüllt wird.

 

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