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Elmar Traks

Elmar Traks

Link, Charlotte – Am Ende des Schweigens (2022)

Kriminalroman

 

Seit Patricia ein Haus in Stanbury (Yorkshire) geerbt hat, machen dort drei befreundete Familien regelmäßig zusammen Urlaub: Patricia mit ihrem Mann Leon und den beiden Kindern, Jessica und Alexander mit dessen Tochter Ricarda aus erster Ehe sowie Evelin und Tim, wobei die drei Männer sich seit ihrer Kindheit kennen.

Die schwangere Jessica fühlt sich als „Neue“ nicht so recht wohl in der Gruppe und entzieht sich oft durch lange Spaziergänge. Eines Vormittags kehrt sie zurück und ist verwundert über die gespenstische Stille auf dem gesamten Grundstück.  

Als sie beim Haus ankommt, entdeckt sie zu ihrem Entsetzen Patricia tot vor dem Gebäude, innen findet sie die Leichen von Alexander, Tim und einem der kleinen Mädchen, dessen Schwester ist lebensgefährlich verletzt und stirbt später. Überlebt haben das Massaker außer Jessica nur Leon, die abwesende Ricarda und Evelin, die völlig traumatisiert in einer Abseite des Badezimmers hockt.

 

In Tatverdacht gerät Phillip Bowen, der sich in letzter Zeit auffallend oft nicht nur in der nahen Umgebung des Ferienhauses aufgehalten, sondern den Urlaubern sogar einen höchst unerfreulichen Besuch abgestattet hat. Als schließlich jedoch nicht er, sondern Evelin verhaftet wird, versucht Jessica, den Beziehungen der Freunde untereinander auf den Grund zu gehen und kommt einigen Ungereimtheiten und Besorgnis erregenden Geheimnissen

auf die Spur.

 

Resümee: Gleich zu Beginn des Buches werden – notwendigerweise – die Protagonisten eingeführt: Patricia, Leon und deren zwei Kinder / Jessica, Alexander, dessen Tochter aus erster Ehe / Tim und Evelin / Phillip Bowen und dessen Freundin Geraldine. Die richtige Zuordnung war für mich eine Herausforderung, zumal es auch noch eine Reihe von Nebendarstellern gibt – aber ok, ein Merkzettel löste dieses Problem.

Möglicherweise (!) wollte die Autorin diese Schwierigkeit aus dem Weg räumen, indem sie die dominierenden Eigenschaften der Akteure häufig in Manier eines Patterndrills nennt: die dominante Patricia, die depressive und dicke Evelin, der wie ein Guru auftretende und alle analysierende Psycho-therapeut Tim, die ständig laufende Jessica usw. Aber auf Dauer nervten mich diese ständigen Wiederholungen.

 

Durch das Massaker reduziert sich die Anzahl der aktiv Handelnden – es wird zukünftig „nur“ noch über sie gesprochen. Übrig bleiben Jessica, die zum Zeitpunkt der Tat unterwegs war, deren 15-jährige Stieftochter, die sich bei ihrem Freund aufhielt, sowie Leon und Evelin. Ist einer von ihnen der Täter? Oder doch Phillip Bowen, der meint, einen Anspruch auf das Haus zu haben, nicht nur ständig in der Gegend herumschleicht, sondern auch an der Tür klingelt? Oder jemand ganz anderes, der noch gar nicht in den Fokus gerückt ist? Einiger Denkstoff für den Leser!

 

Wieder zurück in Deutschland, besucht Jessica ihren Schwiegervater zum ersten Mal. Sie will mehr über die Vergangenheit ihres Mannes Alexander erfahren, in der es etwas geben muss, das ihn traumatisiert hat, denn oft wurde er nachts von heftigen Albträumen geplagt. Doch dessen Vater ist kalt, völlig empathielos, und Jessica ist betroffen, wie er über seinen verstorbenen Sohn redet. Aber sie erfährt, dass die drei Freunde Tim, Alexander und Leon ursprünglich ein Vierergespann waren. Doch jeder Versuch, mehr über den bislang nie erwähnten Jugendgefährten zu erfahren, wird von allen, die sie fragt, massiv abgeblockt.

Sie bleibt auch in Kontakt mit Leon, dessen Ehe mit Patricia sich als Farce entpuppt.

Außerdem möchte sie der immer noch in England inhaftierten Evelin helfen. Im Rahmen ihrer Recherchen erfährt sie Erschütterndes über deren Ehe mit Tim.

 

Schließlich kommt Jessica zu dem Schluss, dass die grausamen Morde in Stanbury mit Ereignissen in der gemeinsamen Vergangenheit der Männer zusammenhängen müssen. Diese haben ihrer Meinung nach deren gegen-wärtige Beziehung dergestalt beeinflusst, dass nach außen ein Bild von Harmonie und Freundschaft untereinander kreiert und krampfhaft aufrecht erhalten wurde, obwohl es durch private und berufliche Ereignisse immer brüchiger wurde. Bis zum bitteren Ende herrschte ein extremer Zwang zur Anpassung, bei dem jede Individualität, jedes Ausbrechen aus der Gemein-schaft äußerst misstrauisch beäugt, wenn nicht gar unterbunden wurde.

Eine explosive Konstellation!

 

Sämtliche Charaktere sind psychologisch sehr komplex und in ihren einzelnen Facetten sehr fein ziseliert ausgearbeitet. Diese Detailgenauigkeit, verbunden mit manchmal schon philosophischen Gedankengängen von Autorin und Pro-tagonisten finde ich hochinteressant und dem gebührt meine Hochachtung. Andererseits aber kommt dadurch in der KRIMI-Handlung selten einmal Spannung auf, sie schleppt sich größtenteils zäh dahin.

 

Fazit: Eine psychologisch hervorragend herausgearbeitete, interessante

   Charakter- und Beziehungsstudie, aber leider kein Krimi!

 

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