Roman
Vera, Jenny, Tanja und Frederike wohnen in einem Mietshaus
in Berlin-Kreuzberg:
Seit ihm vor 3 Jahren ein Aneurysma im Kopf geplatzt ist, ist die 59-jährige Vera vollauf mit der Pflege ihres Mannes Reinhold beschäftigt. Ihr gesamter Tagesablauf richtet sich nach seinen Bedürfnissen. Zu ihrer Tätigkeit als Schriftstellerin kommt sie kaum noch und hat sowieso wenig Zeit für sich selbst. Der Kontakt zu ihrer in New York lebenden Tochter Rebecca erfolgt meist über die sozialen Medien.
Jenny ist relativ neu im Haus. Nachdem sie bereits eine Fehlgeburt hatte, ist es ihr sehnlichster Wunsch, wieder schwanger werden. Ihr Freund Kai findet, dass sich ihr Kinderwunsch mittlerweile zu einer fixen Idee entwickelt hat. Als freie Werbetexterin arbeitet sie im Homeoffice und fühlt sich sozial isoliert, da viele ihrer Freunde und Bekannten weggezogen oder mit ihren Kindern aus-gelastet sind.
Tanja erzieht ihre 3 Kinder weitestgehend alleine, denn ihr Partner Dylan
ist als Musiker viel auf Reisen. Aber ihr afghanischer Untermieter hilft ihr manchmal im Haushalt oder betreut die Kleinen, wenn sie gelegentlich in einem Café jobbt. Sie hat zwar eine abgeschlossene Schwesternausbildung, das anschließende Medizinstudium jedoch der Kinder wegen abgebrochen.
Frederike kümmert sich aufopferungsvoll um ihren kleinen Sohn, der immer wieder von schweren Magen-Darm-Krämpfen geplagt wird und dann ärztlicher Behandlung bedarf. Ein Kunststudium hat sie abgebrochen, hilft aber gele-gentlich in der Galerie einer Freundin aus.Ihr Mann Thomas kommt in seinem Beruf als Lehrer nicht klar, würde am liebsten nur als Künstler arbeiten. Doch die Familie ist auf sein festes Einkommen angewiesen.
Nach und nach kommen die 4 Frauen in Kontakt, nähern sich auf der Suche nach Austausch und Gemeinsamkeiten mehr oder weniger an, stellen aber auch fest, dass das Leben hinter den Wohnungstüren nicht immer das ist, wonach es von außen aussieht.
Resümee: In diesem Roman stehen 4 grundverschiedene Frauen im Mittel-punkt, die mit ihren Partnern zufällig im gleichen Mietshaus wohnen. Sie lassen den Leser kapitelweise alternierend an ihrer gegenwärtigen Situation teilhaben, geben dabei auch gelegentlich einen Rückblick in die Vergangen-heit. Man erfährt ihre ganz unterschiedlichen Wünsche, Ansprüche und Erwartungen ans Leben, deren Realisierung eben dieses Leben selbst oft im Wege steht. Im Laufe der Handlung findet bei allen eine Entwicklung statt, die sowohl von glücklichen aber auch unglücklichen Wendungen bestimmt wird.
Eingeschoben sind gelegentlich kurze kursiv gedruckte Passagen, in denen ein neutraler Beobachter den Fortgang – besser gesagt: den Lauf des Lebens – kommentiert.
Thematisch liegt der Fokus im Wesentlichen auf dem Thema „Kinder“ - wobei natürlich auch die Männer eine Rolle spielen.
. Vera, die älteste der Protagonistinnen, empfindet ihren pflegebedürftigen Mann zunehmend als Kind, dessen psychisch und physisch kräftezehrende Betreuung ihren Tagesablauf bestimmt.
So gerne sie ihre erwachsene, in New York lebende Tochter wieder einmal besuchen und auch deren Freund kennenlernen möchte, verbietet sich eine Abwesenheit von ihrem Mann.
. Jenny hatte bereits eine Fehlgeburt und wünscht sich nichts sehnlicher, als erneut schwanger zu werden. Dass es trotz Sex nach Plan schon so lange nicht geklappt hat, belastet die Beziehung zu ihrem Lebensgefährten, der zunehmend genervt reagiert.
. Tanja hat 3 Kinder von verschiedenen Männern, die sie weitestgehend allein erzieht, womit sie allerdings dank ihrer grundsätzlich positiven und relativ lockeren Einstellung prima klarkommt. Sie liebt ihren aktuellen Partner, den sie darin bestärkt, seinen Traum als Musiker zu leben, auch wenn das häufige Abwesenheiten von zu Hause bedeutet. Wenn es „eng wird“ bekommt sie Unterstützung von ihrem afghanischen Untermieter Jamal.
. Frederike sehnt sich nach Anerkennung. Die bekommt sie besonders dann, wenn sie sich aufopferungsvoll um ihren immer wieder unter starken Magen-Darm-Krämpfen leidenden kleinen Sohn kümmert, mit dem sie oft notfall-mäßig zum Arzt oder ins Krankenhaus muss. Ihr Mann Thomas, der mit seinem Leben selbst nicht gut klarkommt, ist ihr keine große Hilfe.
Und auch die erwachsenen Frauen haben natürlich ihren Werdegang als Töchter.
Peu à peu taucht man immer mehr in deren jeweilige Lebenssituation ein, erfährt ihre (un-) erfüllten Wünsche sowie den relevanten Hintergrund ihrer bisherigen Biografie. Dies ist ebenso interessant wie zum Teil spannend oder berührend.
Hinter allem steht für mich auch die Frage, ob man den Weg, den das eigene Leben nimmt - samt der Erfüllung aller Wünsche und Träume - gezielt beein-flussen kann. Inwieweit kann / möchte man Abstriche in Bezug auf seine Ziele machen, wenn die Umstände es notwendig oder sinnvoll erscheinen lassen? Wann ist es Zeit, gegebenenfalls eine neue Richtung einzuschlagen, auch wenn dies mit einem radikalen Bruch verbunden sein sollte?
Fazit: Ella Danz hatte mich bislang als Autorin der Krimis mit Kommissar
Angermüller überzeugt. Mit diesem komplett anderen, nachdenklich stimmenden Roman, hat sie mich ebenfalls begeistert.
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