Starke Rückenschmerzen sind quälend, schränken einen ein, und wenn sie trotz diverser Eigentherapie-Versuche sehr lange anhalten, gehen sie auch an die Nerven, erschöpfen das Geduldspotenzial und die Leidensfähigkeit.
Nach 2 ½ Monaten musste daher bei mir Hilfe von außen her: Orthopäde, Osteopath oder Masseur? Nach Abwägen aller Pros und Contras unter Einbeziehung der Urlaubszeiten zwischen Weihnachten und Neujahr entschied ich mich für Osteopathie.
Schritt 2 bestand darin, eine geeignete Praxis in akzeptabler Entfernung zu finden. Der Begriff „Osteopathie“ ist in Spanien nicht gesetzlich geschützt, aber die Einrichtung in einem nahegelegenen Küstenort schien mir laut Darstellung auf deren Web-Seite seriös. Der Inhaber unterrichtet sogar angehende Berufskollegen, hat „Zweigstellen“ in mehreren Orten Spaniens.
Es war der 26. Dezember – in Spanien kein Feiertag – und nach Schilderung meiner Beschwerden bekam ich einen Termin in 2 Stunden. Hoffnungsvoll machte ich mich also auf den Weg.
In der Praxis angekommen, wurde ich freudig von einem sehr dynamischen jungen Mann mit Weihnachtszipfelmütze begrüßt – „oh, ein Elf“ schoss es mir durch den Kopf. Dies war nicht der Praxis-Inhaber, sondern deren Leiter.
Die kurze Anamnese-Erhebung fand ich zu dem Zeitpunkt professionell-
sinnvoll, später fragte ich mich nach deren Sinn.
Anschließend wurde ich gebeten, mich auszuziehen; währenddessen lief der „Elf“ rastlos hinter der den Raum zum Flur abgrenzenden Milchglasscheibe hin und her. Hätte ich mir ja auch nicht träumen lassen, dass in meinem Alter noch mal ein junger Mann ruhelos auf und ab tigert und ungeduldig darauf wartet, dass ich mir endlich die Klamotten vom Leib gerissen habe.
Dann ging es los: eine Stunde lang Kneten, Pressen, Drücken, Ziehen, Verbiegen. Meiner keineswegs lustvoll gestöhnten Antwort „jaaa, seeehr“
auf die Frage, ob es weh tue, folgte keine Änderung der Intensität. Ist es das, was man gemeinhin als Sado-Maso bezeichnet?
Da es meine 1. Osteopathie-Behandlung war, ging ich vertrauensvoll-optimistisch davon aus, dass es dann wohl so sein müsse, um in Anbetracht meiner heftigen Beschwerden einen Erfolg zu erzielen. Also durchhalten, Annette – der Weg ist das Ziel!
Begleitet wurde das Ganze durch salvenartiges Abfeuern – auf Spanisch natürlich – verschiedenster Feststellungen, Fragen, Hinweise, die alle nur ein Ziel hatten: Produkte der Praxis an die Frau bringen. Und das nach typisch spanischer Manier mit vielen Wiederholungen in Endlos-Schleife:
. Ich sei adipös (Danke! Wusste ich noch nicht), da sei es sinnvoll, eine Messung der Leberfunktion vorzunehmen, und auch auf die Herztätigkeit wirke sich das Gewicht negativ aus. Sie müsse deshalb auch unbedingt überprüft werden. Er verwies dabei auf eine Apparatur, die mich sehr an ein Bioresonanzverfahren erinnerte, mit dem ich bereits in Deutschland meine nicht eben positiven Erfahrungen gemacht hatte.
Es müsse ja nicht heute sein, aber das nächste Mal dann.
Nett, aber ich lasse mich regelmäßig vom Arzt durchchecken und weiß um den Zustand meiner Leber und des Herzens und kenne die Blutwerte.
. Für die Fettverdauung sei ein Extrakt aus Rindergalle wichtig, die unterstütze die Funktion meiner Galle und verhindere Steine in selbiger. Das Produkt könne ich nachher gleich an der Kasse kaufen.
Hallo??? Isch 'abe gar keine Galle mehr - hatte ich eingangs doch erwähnt.
. Magnesium und Vitamin K seien für mich auch immens wichtig.
Hatte ich nicht in der Anamnese-Erhebung meine Blutgerinnungsstörung erwähnt? Da ist Vitamin K ein absolutes No-Go. Und Magnesium nehme ich bereits.
. Ob ich Sport mache.
Na ja, ich gehe jeden Tag je nach Befindlichkeit mehr oder weniger schnell eine bestimmte Strecke. Komme insgesamt auf 8000 – 10.000 Schritte / Tag.
Nein, nein! Das bringe nichts, das sei nur gut für die Beine und sonst nichts. Pilates und Yoga seien die Mittel der Wahl – entsprechende Kurse laufen regelmäßig in der Praxis.
Am liebsten hätte ich noch etwas von der positiven Wirkung von Bewegung auf Diabetes, Blutdruck und Co. erzählt, aber mein Widerspruchsgeist hatte sich zu dem Zeitpunkt schon verabschiedet.
. Er kam nur noch einmal beim Bezahlen kurz hervor, als mir „Elf“ gleich ein
4-er Abo ans Herz legte – das sei günstiger.
Stimmt: Aber gemach, gemach, warten wir erst mal den Effekt dieser Behandlung ab!
Und der hatte es in sich: Die berühmt berüchtigte Erstverschlechterung trat ein. Wobei ich vorher gar nicht gedacht hätte, dass meine Schmerzen noch an Intensität zulegen könnten:
5 Tage lang war ich komplett außer Gefecht gesetzt, vor Schmerzen am Verzweifeln – danach stellte sich zumindest der Zustand von vor der Behandlung ein. Ich hätte nicht gedacht, wie froh ich darüber sein würde –
es ist eben alles relativ.
Unnötig zu sagen, dass sich jeder weitere Besuch in dieser Praxis erübrigte – trotz beeindruckender Fach-Diplome an ihrer Wand.
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Helmut Caspar (Montag, 27 Januar 2025 10:35)
Oh je, Annette, da hast du aber eine richtig schlechte Erfahrung machen müssen. Hoffe, dass es allmählich bergauf geht. Es gibt sicherlich in Spanien auch gute Osteopathen, aber ohne gesetzlich geschützte Bezeichnung ist es bestimmt nicht einfach, einen seriösen zu finden.
Drück dir die Daumen, dass du schnell wieder auf die Beine kommst.