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Elmar Traks

Elmar Traks

Olsen, Mila – Entführt: Bis du mich liebst (2018)

Louisa und Brendan, Band 1

 

Die fast 17 Jahre alte Louisa lebt mit ihren 4 erwachsenen Brüdern in dem kleinen Ort Ash Springs in der Wüste Nevada. Nach dem frühen Tod beider Elternteile bekam ihr ältester Bruder Ethan (mittlerweile 29) das Sorgerecht für seine Schwester. Diese freut sich gerade, dass sie durch einen üblen Streich, den sie dem Verantwortlichen der Essensausgabe in ihrer Highschool gespielt hat, die Aufnahmeprüfung in den „Hades-in-Love“-Club geschafft hat, dem die Crème de la Crème ihrer Schule angehört. Jetzt wird sich ihr sterbenslangweiliges Leben endlich von Grund auf ändern:

Sie wird auf exklusive Partys gehen, mit den älteren Jungs die angesagten Clubs von Las Vegas besuchen, tolle Ausflüge machen und zum gefragten

It-Girl werden … wäre da nicht Ethan.

Der hat nämlich nicht nur von dem bösen Streich seiner Schwester erfahren, sondern ist von ihrer Lehrerin auch über katastrophale schulische Leistungen, unentschuldigte Fehlzeiten und Sachbeschädigung informiert worden. Außer-dem sind da noch das Fälschen von Ethans Unterschrift und das unerlaubte Benutzen seiner Kreditkarte.

 

Er streicht Louisa nicht nur die heiß ersehnten Ferien im Modelcamp – das Highlight der diesjährigen Sommerferien -, sondern auch den Beitritt zum „Hades-in-Love“-Club sowie Facebook und Internet.

Stattdessen muss sie zusammen mit ihren Brüdern in die Ferien fahren: zum Campen im Sequoia Nationalpark. Sie ist verzweifelt und würde am liebsten abhauen – nicht im Entferntesten ahnend, welche dramatische Wende ihr Leben schon gleich nach der Ankunft dort nehmen wird.

 

Als sie sich nämlich im Visitor Center umsieht, trifft sie auf den gutaussehen-den Brendan, der sie anspricht. Beide unterhalten sich kurz, bevor Brendan den Laden wieder verlässt. Auf dem Parkplatz jedoch sehen sich beide erneut. Unter einem Vorwand lockt er Louisa in seinen Campingbus und betäubt sie.

 

Erst in einer einsamen Waldgegend Kanadas kommt sie wieder endgültig zu sich, lebt fortan in Angst, Ungewissheit und Verzweiflung und sehnt sich nach ihren Brüdern.

 

Nach und nach erkennt sie nicht nur, dass Brendan ihre Entführung bis ins kleinste Detail geplant hat, sondern erfährt auch ein paar Dinge aus seiner schlimmen Vergangenheit. Er gesteht ihr auch das Motiv, warum er gerade sie als Entführungsopfer ausgewählt hat, mit dem er fortan zusammenleben will.

 

Im Laufe der nächsten Wochen fasst Louisa langsam Vertrauen zu ihm und entwickelt sogar eine immer tiefer werdende Zuneigung.  

 

Resümee: Das Buch lässt mich zwiegespalten zurück:

Sprachlich ist es ein wahres Meisterwerk – voller bildhafter Beschreibungen, Metaphern, symbolischen Naturbeschreibungen bis hin zu atmosphärischer Symbolik, wobei die Gefühle von Brendan und Louisa oft auf Naturereignisse projiziert werden.

Auch die – zum Teil erstaunlich psychologischen - Analysen in Bezug auf ihr eigenes und Brendans Verhalten sowie die durchaus philosophischen Gedan-ken Louisas sind bemerkenswert analytisch-rational und ein Lesegenuss.

 

Aber genau da beginnt mein kritisches Hinterfragen:

Es handelt sich bei ihr um eine fast 17-Jährige, die wir vor ihrer Entführung

als oberflächlich und auf Äußerlichkeiten bedacht kennengelernt haben. Sie wollte raus aus der Einöde ihres Dorfes, an einem Modelcamp teilnehmen, auf Partys und in angesagte Clubs in Las Vegas gehen, “heiße“ Jungs treffen, das Leben in vollen Zügen genießen, hat aber keinen ernsthaften Gedanken an eine solide Zukunft verschwendet. Entsprechende Vorhaltungen ihres ältesten Bruders Ethan hat sie als extrem spießig abgetan.

Kann in wenigen Wochen in der Einsamkeit Kanadas, in der Gewalt ihres Entführers, in einer Situation, geprägt durch Angst, Verzweiflung, Ungewiss-heit und Sehnsucht nach ihren Brüdern eine derartige Metamorphose wie oben beschrieben stattfinden?

 

Vom Stockholm Syndrom, bei dem Entführungsopfer bzw. Opfer von Geisel-nahmen eine positive emotionale Beziehung zu den Tätern aufbauen, hat man schon öfter gehört. Bei Louisa und Brendan geht es noch weiter: Sieht

er sie von Anfang an als die Person, die ihn durch ihre Lebendigkeit und Unbeschwertheit aus seiner tiefen mentalen Dunkelheit befreien kann, so entwickelt sich bei ihr im Laufe der Wochen eine tiefe Liebe, die schließlich auf Gegenseitigkeit beruht.

 

Insofern ist dies ein interessantes, emotional berührendes Werk mit zwei Protagonisten, die im Laufe der Handlung immer mehr Tiefe erhalten.

 

Andererseits stagniert diese oft, wenn Louisa, aus deren Sicht alles geschil-dert wird, sich ihre Gedanken macht, ihre Lage und Brendans Verhalten ana-lysiert sowie – zumindest bis kurz vor Schluss - ihre Fluchtoptionen auslotet. Dabei wird etliches in Variationen wiederholt – wie ein Gedankenkarussell, das sich nicht abstellen lässt.

Dadurch entsteht gelegentlich eine ermüdende Länge.

 

Fazit: Auf die Frage, wie ich dieses Buch finde, kann ich nur antworten:

einerseits – andererseits.

Ob ich die Folgebände lesen werde? Ich weiß es noch nicht.

 

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