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Elmar Traks

Elmar Traks

Pierre, Marie – Der Weg der Frauen (2025)

Das Pensionat an der Mosel 3

Roman

 

Die Handlung beginnt im Mai 1912 in Diedenhofen / Thionville im Reichsland Elsaß-Lothringen und schließt damit direkt an den Vorgängerband an:

Mit Ottilie kommt eine neue Schülerin in Pauline Martins Pensionat für höhere Töchter.

Doch so sehr sich alle bemühen, das Mädchen in ihre Gemeinschaft aufzu-nehmen, so sehr verschließt es sich und scheint sich äußerst unwohl in seiner neuen Umgebung zu fühlen.

Pauline Martin selbst hat jedoch zunächst kaum Zeit, sich weitere Gedanken um den neuen Schützling zu machen, denn ihr wird die schockierende Nach-richt überbracht, dass ihre Schülerin Sophie in Metz an einer Demonstration für Frauenrechte teilgenommen hat und wegen Unruhestiftung in Polizeige-wahrsam genommen wurde. Dabei wähnte die Lehrerin sie zusammen mit ihrer Cousine auf dem Weg zu einem Familientreffen nach Luxemburg.

Es gelingt der couragierten Pauline, Sophie aus der Haft herauszuholen und deren Eltern zu übergeben. Doch der gute Ruf des Pensionats droht Schaden zu nehmen, und das nicht nur durch dieses Ereignis.

 

Als Sophie nach langer Zeit wieder an die Schule zurückkehrt, ist die einst

so lebhafte und engagierte Schülerin oft apathisch und wirkt krank. Es bedarf einiger Nachforschungen, bis man die Ursache herausfindet.

 

Froh ist Pauline Martin nach anfänglicher Skepsis über den neuen Lehrer Dr. Heinrich Marquardt. Und auch er, der die Stelle angetreten ist, weil er glaubte, die Gegend im Allgemeinen und das Pensionat im Besonderen seien so rück-ständig, dass sie die „Entwicklungshilfe“ eines Mannes benötigten, muss sich eines Besseren belehren lassen.

 

Privat steht die Pensionatsleiterin zwischen zwei Männern: Sie trifft unver-mutet ihren ehemaligen Verlobten Roland wieder, den sie seinerzeit verlassen hat, um ihren Berufstraum verwirklichen zu können. Denn als Lehrerin ist eine Liebesbeziehung oder gar eine Ehe für sie unmöglich.

Roland hatte nach der Trennung eine andere Frau geheiratet, die jedoch bei der Geburt ihres zweiten Kindes zusammen mit diesem gestorben war. Nun wirbt er erneut um seine frühere Liebe.

 

Doch so sehr auch bei Pauline alte Gefühle wieder aufflammen, so sehr fühlt sie sich nach wie vor zu dem preußischen Hauptmann Erich von Pliesnitz hingezogen, der in der Garnison zu Diedenhofen stationiert ist. Und auch er kann seine tiefen Gefühle für sie nicht leugnen.

 

Resümee: Auch die Handlung dieses dritten Bandes ist wieder so spannend wie ein Krimi. Man fiebert in jeder Situation mit den Protagonisten mit und hofft, dass ihr Leben sich trotz aller Unwägbarkeiten positiv entwickelt.

 

Thematisch steht diesmal die Rolle der Frauen zur damaligen Zeit im Vorder-grund. Es geht speziell um deren Stellung in der Gesellschaft, ihre stark ein-geschränkten Rechte im Vergleich zu denen der Männer sowie um Diskrimi-nierung.

Zu damaliger Zeit waren sie quasi Personen 2. Klasse – in jeder Beziehung abhängig vom Ehemann, zuständig vor allem für die Führung des Haushalts gemäß den Wünschen des Gatten und die Erziehung der Kinder.

Privat und wirtschaftlich auf eigenen Füßen zu stehen, bedeutete eine gesell-schaftliche Ausgrenzung.

 

War eine Frau dennoch berufstätig, so geschah dies aufgrund wirtschaftlicher Notwendigkeit; das heißt, sie stammte im Allgemeinen aus einer niedrigen sozialen Schicht. Für „höhere Töchter“ und deren Mütter indes war Berufs-tätigkeit ein absolutes No-Go.

Eine Trennung vom Ehemann oder gar eine Scheidung kam schon aufgrund der wirtschaftlichen Abhängigkeit von diesem nicht in Frage und bedeutete eine Schande für die Frau, die damit auch das Sorgerecht für die Kinder verlor.

 

Exemplarisch wird die Problematik in diesem Roman an den Frauen-Figuren gezeigt:

 

So kämpft z.B. die selbstbewusste Schülerin Sophie für Frauenrechte und wird auf einer Kundgebung wegen aufrührerischen Verhaltens in Polizeige-wahrsam genommen. Ihre Eltern holen sie zu sich nach Hause, wo sie nicht nur vom Vater körperlich gezüchtigt, sondern auch medikamentös ruhig ge-stellt wird, um ihr rebellisches Temperament zu dämpfen.

 

Die Küchenhilfe Camille lebt mit der „Schande“ eines unehelichen Kindes, mit dem sie nach einer Vergewaltigung schwanger geworden war. Sie durfte es nach der Geburt nicht behalten, sondern musste den Jungen zu Pflegeeltern geben.

 

Erich von Pliesnitz' Mutter verließ einst schweren Herzens die Familie wegen eines gewalttätigen und alkoholabhängigen Ehemannes – ihre Kinder musste sie bei diesem in der lieblosen Umgebung zurücklassen, durfte auch keinen Kontakt zu ihnen pflegen.

 

Ähnliches gilt für Sophies Mutter, die den Mut fasst, ihren Ehemann zum Wohle der Tochter zu verlassen.

 

Pensionatsleiterin Pauline Martin muss immer wieder persönliche Wünsche zugunsten gesellschaftlicher Konventionen verdrängen. Für sie stellt es stets eine Gratwanderung dar, ihren Schützlingen nicht nur Wissen zu vermitteln und sie zu ehrenhaftem Verhalten zu erziehen, sondern auch zu selbstbe-wussten Frauen, die später durchaus selbstständig ihren Weg gehen können.

 

Ein weiterer Aspekt dieses Buches ist der Missbrauch von Rauschmitteln

zu medizinischen Zwecken. So wurde Heroin damals beispielsweise zur Be-handlung von Husten und Schmerzen aller Art eingesetzt, aber auch zur „Verhaltenskorrektur“ / Ruhigstellung z.B. aufmüpfiger Mädchen, ohne dass man sich der verheerenden Nebenwirkungen und des Suchtpotenzials be-wusst war.

 

Das der damaligen Zeit entsprechende Agieren der Protagonisten – alle

in ihren Wesensmerkmalen klar konturiert – ihre Ausdrucksweise sowie die Einschübe in französischer Sprache verleihen dem Ganzen Authentizität.

Sehr hilfreich ist außer einem Übersichtsplan, der die Stadt Diedenhofen / Thionville um 1910 zeigt, eine vorangestellte Liste mit den Akteuren des Romans und seiner beiden Vorgänger, die den Einstieg in diesen 3. Band erleichtert.

 

Fazit: Schade, dass die Trilogie mit diesem Band bereits beendet ist.

   Ich kann mir sehr gut eine Fortsetzung vorstellen. 

 

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