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Elmar Traks

Elmar Traks

Abel, Susanne – Was ich nie gesagt habe (2023)

Gretchens Schicksalsfamilie

Die Gretchen-Reihe, Band 2

Roman

 

Tom Monderath (Mitte / Ende 40), bekannter Anchor-Nachrichtenmoderator bei einem Kölner Fernsehsender, hat

nach einem Zusammenbruch einen längeren Sonderurlaub genommen.

Nach Jahren auf der Überholspur ist durch seine Partnerin Jenny und deren wenige Monate alten Sohn Carl endlich Ruhe in seinen Alltag eingekehrt. Obwohl er sich nie vorstellen konnte, eine feste Beziehung einzugehen, geschweige denn für ein Kind zu sorgen, ist er so glücklich wie noch nie.

In letzter Zeit jedoch wird er den Gedanken an seinen verstorbenen Vater Konrad nicht los, denn über ein Ahnenforschungsportal hat er erfahren, dass er väterlicherseits einen Halbbruder hat: Henk, der in Amsterdam lebt. Er trifft sich auf dessen Drängen mit ihm und ist überrascht, denn beide sehen sich nicht nur verblüffend ähnlich, sondern verstehen sich auch blendend, haben viele Gemeinsamkeiten.

 

Besonders Henk möchte mehr über ihren gemeinsamen Vater erfahren.

Seine Mutter lebt jedoch nicht mehr, und Toms Mutter Greta ist dement –

sie kann man nicht befragen.

Aber Henk gibt nicht auf und findet heraus, dass weitere Halbgeschwister existieren. Während er diese ausfindig machen und zu ihnen Kontakt auf-nehmen will, ist Tom mit der Situation überfordert und blockt. Doch Jenny

und Henk forschen gegen seinen Willen weiter, fördern Erschreckendes zutage und bringen Toms Leben ziemlich aus dem Gleichgewicht.

 

Ihr Vater Konrad kommt 1933 in Köln zur Welt. Dessen Vater erleidet noch

vor der Geburt seiner Tochter Lizzy, die das Down-Syndrom hat - damals Mongolismus genannt -, einen tödlichen Herzinfarkt.

Früh in der Hitlerjugend aktiv, kämpft Konrad dann als Jugendlicher im 2. Weltkrieg, in dem sein älterer Bruder fällt.

Die Mutter kommt 1943 bei einem Bombenangriff ums Leben, seine Schwes-ter Lizzy wird als „unwertes Leben“ von den Nazis getötet.

Konrad selbst gerät in amerikanische Gefangenschaft, zieht nach der Ent-lassung Ende der 40-er Jahre nach Heidelberg und studiert Medizin.

Dort verliebt er sich in Greta, die wir aus dem 1. Band („Stay away from Gretchen“) kennen. Beide heiraten und ziehen nach Köln, als Konrad dort zusammen mit einem Verwandten eine gynäkologische Praxis eröffnet.

Als sie schon die Hoffnung auf Nachwuchs aufgegeben haben, bekommen

sie einen Sohn: Tom.

 

Resümee: Die Stränge von Gegenwart und Vergangenheit knüpfen unmittel-bar an den Band „Stay away from Gretchen“ an. Das heißt:

Die aktuelle Handlung beginnt im Jahr 2016 und endet 2018. Protagonisten sind Tom, Jenny mit Carl und Henk.

Die Erzählung der Vergangenheit umfasst die Jahre 1933 bis 1997. Nach

der Biografie von Toms Mutter Greta im 1. Band steht nun das Leben ihres Mannes respektive Toms Vater Konrad im Mittelpunkt (siehe Inhaltsangabe).

 

Beide Zeitebenen laufen immer mehr aufeinander zu und weisen thematisch viele Parallelen auf:

. Homosexualität gehört heute zur Normalität – so kann Toms Bruder Henk sein „Schwulsein“ offen ausleben, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen.

Bis 1994 jedoch existierte der § 175 im Deutschen Strafgesetzbuch, der gleichgeschlechtliche Liebe kriminalisierte. Als Konrad befürchtet, dass sein Verwandter und Praxispartner Drickes homosexuell ist, hütet er sich strikt davor, den Verdacht zu äußern.

. Obwohl Samenspenden in Kinderwunschkliniken bereits in den 70-er Jahren erlaubt waren, werden sie in Deutschland erst seit 2018 durch das Samen-spenderregistergesetz gesetzlich geregelt.

Jenny hat ihren Sohn Carl nach ihrer Auskunft 2015 mit Hilfe einer legalen Samenspende bekommen.

Der Vergangenheitsstrang schildert, wie Frauen in Arztpraxen unter teilweise dubiosen Umständen zur Schwangerschaft durch Samenspende verholfen wurde.

 

. 1871 wurde der sogenannte Abtreibungsparagraph 218 im Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches aufgenommen. Abtreibungen waren damals grund-sätzlich illegal, wurden mit bis zu fünf Jahren Zuchthaus bestraft.

Nach zahlreichen Reformen sind sie in Deutschland aktuell unter bestimmten Bedingungen straffrei, aber rechtlich nicht vollständig legalisiert.

Der Roman reißt die jeweilige Situationen kurz an.

 

. 1961 kam unter dem Namen „Anovolar“ die erste Antibabypille auf den Markt – sie diente offiziell zur Behandlung von Menstruationsbeschwerden und wurde nur an verheiratete Frauen ausgegeben. Konrad hat in seiner Praxis Diskussionen darüber mit einem Vertreter des Pharmakonzerns Schering und mit seinem Kollegen Drickes.

Heutzutage ist die Verordnung der „Pille“ zur Empfängnisverhütung für geschlechtsreife Frauen unabhängig vom Familienstand an der Tages-ordnung.

 

. Kinder, die mit „Mongolismus“ geboren wurden wie Konrads Schwester Lizzy, galten im 3. Reich als „unwertes Leben“ und fielen den Euthanasie-morden zum Opfer.

Heute haben Kinder mit dem „Down Syndrom“ ihre Daseinsberechtigung genau wie jedes andere Kind.

 

Durch das Alternieren von Gegenwarts- und Vergangenheitsstrang und häufige Cliffhanger an den jeweiligen Kapitelenden ist die Handlung in der

1. Hälfte recht spannend.

Danach jedoch ist sie mir zu monothematisch auf „Samenspende“ aus-gerichtet, zumal die Zeitachsen sich durch Henks und Jennys aktuelle Recherchen zu Konrads Vergangenheit überschneiden. Das Tempo wird rausgenommen, stattdessen gibt es viele inhaltliche Wiederholungen, wodurch die Handlung überfrachtet und in die Länge gezogen wird. Hinzu-kommt, dass vieles um eines bestimmten Ergebnisses willen zu konstruiert wirkt.

 

Fazit: Der 1. Roman der Gretchen-Reihe und die ersten ca. 50% dieses

Folgebandes haben mich gegeistert. Die 2. Hälfte dagegen ist aus

den genannten Gründen eher schwach.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Birgit (Mittwoch, 24 September 2025 09:45)

    Dem kann ich absolut zustimmen.