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Elmar Traks

Elmar Traks

Gunnis, Emily – Die verlorene Frau (2020)

Roman

 

1960: Der Vater von Rebecca (13) leidet an einer

chronischen Kriegsneurose, wegen der er 6 Jahre lang in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht war. Seit einigen Jahren

lebt er nun wieder bei seiner Familie in einem abgelegenen Cottage in Sussex. Aber sein Zustand ist labil:

Er wird schnell jähzornig und ist gegenüber Tochter und Ehefrau oft gewalttätig.

Eines Nachts hat sich Rebecca wieder einmal in ihrem Zimmer verkrochen, als sie mitbekommt, wie jemand an der Haustür klopft; kurz darauf hört sie Schreie. Wenig später will sie nach ihren Eltern schauen, findet sie aber tot im Wohnzimmer. Die Todesursache kann nie eindeutig geklärt werden.

 

2014: Rebeccas Tochter Jessie hat gerade ihr erstes Kind zur Welt gebracht. Der Säugling ist jedoch krank und muss gleich nach der Geburt in der Klinik behandelt werden Die junge Mutter ist depressiv, mit der Situation völlig überfordert, reagiert panisch und flieht mit dem Neugeborenen aus dem Krankenhaus. Eine Suchaktion bleibt erfolglos.

Ihre Stiefschwester Iris, eine Journalistin, will nichts unversucht lassen, um Jessie und ihr Baby schnell zu finden, doch sie braucht von Rebecca ein paar Informationen, wenn die Suche erfolgreich sein soll. Die mittlerweile 67-Jährige muss nun ein paar streng gehütete Geheimnisse aus ihrer Vergangenheit offenlegen und Iris in Aspekte ihrer Familiengeschichte einweihen, die sie bislang niemandem anvertraut hat.

 

Resümee: Rebeccas Lebensgeschichte lässt einen nicht los. Die Romanhandlung beginnt zwar erst 1960, als sie 13 Jahre alt ist, die Weichen für die Vorkommnisse jener Nacht, in der ihre Eltern sterben, sind jedoch bereits vor ihrer Geburt gestellt worden. Der Leser erfährt davon in Rückblenden, deren Handlungsstrang sich mit dem der aktuellen Gegenwartshandlung abwechselt. Die Ereignisse beider Zeitebenen sind miteinander verwoben, und die Kenntnis der Vergangenheit ist maßgeblich für Jessies Verhalten sowie ihr Auffinden.

Einige Kapitel sind in der Ich-Form aus Sicht einer in Bezug auf Rebecca wichtigen Person geschrieben. Nachdem man einige Zeit gerätselt hat, um wen es sich handeln könnte, ist man schließlich ebenso überrascht wie erschrocken.

 

Für den Leser ist es oft schwierig, die familiären Verhältnisse und Beziehungen zu durchschauen. Sie werden zwar immer klarer, je mehr man aus Rebeccas Vergangenheit – und der ihrer Eltern – erfährt. Ein der Handlung vorangestellter Stammbaum wäre dennoch hilfreich gewesen.

 

Die Atmosphäre ist – der jeweiligen Handlung entsprechend – oft düster und bedrückend. Die Beschreibung des Wetters korreliert meist mit der Stimmung.

 

Der Titel des Buches kann zwar gleich auf mehrere Frauen bezogen werden, die sich verloren fühlen (oder es sogar sind). Dennoch gefällt mir der englische Originaltitel besser: „The lost Child“. Aber das hängt sicher damit zusammen, worauf man den Fokus lenken möchte – auf die Frau(en) oder ihr Kind.

 

Dieser Roman weist viele Gemeinsamkeiten mit „Das Haus der Verlassenen“ von derselben Autorin auf (Rezension vom 24. Febr. 2019): Auch dort gibt es zwei Zeitebenen, die immer mehr miteinander verschmelzen; auch dort hat eine junge Frau ein Kind zur Welt gebracht, dessen Leben nach der Geburt ein ungewöhnliches Schicksal nimmt; und auch dort recherchiert eine Journalistin.

 

Fazit: ein Roman mit einer bewegenden Familiengeschichte.

 

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