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Webmaster u.v.a.m.

Elmar Traks

Elmar Traks

Einkaufen im Pueblo

Einkaufen Annette Traks

Heute möchte ich einmal schildern, wie ein ganz normaler Einkauf hier in unserem Dorf in der Regel abläuft.

Du denkst jetzt vielleicht: Langweilig, kennt man doch, eine Allerwelts-Tätigkeit, was soll da in Spanien schon groß anders sein als z.B. in Deutschland????

Das kann ich Dir nicht verdenken, hätte ich vor unserer Spanien-Zeit auch gemeint!

 

Aber: ¡España es diferente! (frei übersetzt: In Spanien ist alles anders!)

 

Es beginnt schon damit, dass Einkaufen hier grundsätzlich ein soziales Ereignis ist - und je kleiner der Ort, um so größer das Kontaktbedürfnis! Seine Bedeutung erkennt man schon daran, dass sich besonders ältere Spanierinnen für diese Unternehmung fein anziehen und auch die Handtasche und ein blütenweißes, allzeit griffbereites Stofftaschentuch nicht vergessen.

 

Man eilt auch nicht mit Scheuklappen zielgerichtet durch den Supermarkt, sondern man schlendert, interessiert mal in die Regale, mal nach links und mal nach rechts schauend, ob man nicht jemanden entdeckt, mit dem sich ein wenig Smalltalk machen lässt. Und es findet sich immer jemand!

 

Selbst an den Bedientheken scheint der Einkauf meist eher nebensächlich, die Unterhaltung mit der Verkäuferin dagegen das eigentliche Anliegen zu sein - wobei dieses Bedürfnis durchaus auf Gegenseitigkeit beruht, völlig egal wie lang die Kundenschlange ist. Schließlich kann sich ja jeder gerne an dem Gespräch beteiligen.

So stand ich neulich an der Fleischtheke unseres hiesigen Supermarktes, vor mir eine Spanierin, die den Wunsch nach „etwas zum Braten“ äußerte. Die konkrete Entscheidung machte sich keiner der Beteiligten – besagte Spanierin, die Bedienung und drei weitere Kunden – leicht:

Da wurde jedes in Frage kommende Stück bzgl. Aussehen, Verwendungszweck, Preis, Vorlieben der einzelnen Familienmitglieder, benötigter Menge etc. durchdiskutiert, als sei es der erste Einkauf dieser Art.

 

In der Bäckerei dann standen auf engstem Raum bereits einige sich stimmlich übertreffende Spanierinnen mittleren Alters. Im ersten Moment weiß man als Ausländer in solcher Situation manchmal wirklich nicht, ob es sich um temperamentvollen Tratsch und Klatsch oder um einen handfesten Streit unter rivalisierenden Hausfrauen handelt – bis jetzt stellte es sich glücklicherweise stets als Ersteres heraus!

Eingedenk meiner preußischen Erziehung stellte ich mich – mich ob einer höchstwahrscheinlich längeren Wartezeit mit Geduld wappnend – irgendwohin, wo noch Platz war, wurde aber sofort von der Verkäuferin herangewunken. Erfreut gab ich die Bestellung auf – und wie auf Knopfdruck verstummte jedes Gespräch im Laden! Aber nur ganz kurz, denn sofort waren alle Augen auf mich gerichtet, und es ging ein Schwall an Bewertungen meiner scheinbar allzu spontanen Kaufentscheidung mit gut gemeinten Ratschlägen auf mich nieder: Warum ich denn gerade dieses Brot wollte, ein anderes sei doch viel besser, von dem könne ich auch ruhig zwei nehmen, denn dass würden Mann und Kinder – mein halbherziger Einwand, „habe ich gar nicht“ verhallte ungehört – auch mögen …

Das hat man eben davon, wenn man mit einer konkreten Vorstellung bzgl. des Kaufs in den Laden geht, statt die Entscheidung mit allen Anwesenden erst einmal gründlich auszudiskutieren.

 

Anschließend im Fischgeschäft ein ähnliches Szenario:

Mit den einheimischen Fischarten noch immer nicht 100%-ig auf Du und Du, frage ich gelegentlich den Verkäufer meines Vertrauens um Rat. Der hat manchmal jedoch nicht den Hauch einer Chance, denn alle anderen Anwesenden antworten stattdessen nun gleichzeitig, sich nach Möglichkeit stimmlich übertreffend: Ja, den Fisch kann man prima im Backofen zubereiten! - Nein, nein, viel besser gelingt er auf dem Grill! - I wo, nur gekocht ist er ein wahrer Genuss! - Du hast ja keine Ahnung, nur in Folie gegart schmeckt er wirklich gut! - Quatsch, der gehört in die Auflaufform!

Was ich heraushöre ist, dass man ihn auf alle möglichen Arten zubereiten kann – das ist gut!

 

In der Bank wird nicht nur Geld überwiesen und abgehoben, nein, die entsprechende Transaktion oder der Geldbedarf werden dem Bankangestellten ausgiebig erläutert und gegen mögliche Alternativen verteidigt.

 

Und so geht es in allen Geschäften, Behörden, Einrichtungen:

Das eigentlich zu Erledigende scheint oft zur Nebensache zu werden, während die Kommunikation – oder besser: das Sich-Äußern – den höchsten Stellenwert einnimmt.

 

Ist es da ein Wunder, dass ich es mittlerweile aufgegeben habe, meinem Mann eine Ungefährzeit zu nennen, wann ich nach einer Einkaufstour in den Ort etwa wieder auf der heimischen Finca erscheinen werde? So manches Mal hatte er sich dann nämlich schon gefragt, ob unterwegs auch nichts passiert sei – schließlich hatte ich doch nur drei Stationen „abzuhaken“?!

 

© Annette Traks