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Elmar Traks

Elmar Traks

Vom Wesen der Spanier (2)

Die Familie geht dem Spanier über alles! Nicht nur, dass man sich in Zeiten von „la crisis“ und extrem hoher Arbeitslosenrate selbstverständlich gegen- seitig unterstützt. Auch bei Krankheiten sind die Familienmitglieder füreinander da: Liegt ein Ver- wandter im Krankenhaus, eilt die gesamte Sippe

an sein Bett, diskutiert auf dem Flur, tröstet sich gegenseitig. Es ist auch ganz normal, dass Angehörige über Nacht bei dem Patienten bleiben – das ist auch durchaus von der Ausstattung her vorgesehen: Eine Couch und / oder ein bequemer Relax-Sessel stehen in jedem Krankenzimmer.

Bei der Aufnahme zur stationären Behandlung gibt es an der Rezeption oft einen Stau, weil sich dort die  ganze Familie um den Kranken schart. Und bei relativ harmlosen ambulanten Eingriffen haben wir es erlebt, dass durchaus 5 Angehörige den Patienten begleiteten und bis zur Entlassung möglichst nicht von seiner Seite wichen.  Auch für das Krankenhaus-Personal ist diese Fürsorge absolut normal, niemand käme auch nur auf die Idee, von der Personenzahl genervt zu sein.

 

Liebevoll – und nicht ungeduldig – kümmert man sich generell, nicht nur innerhalb der Familie, um Alte, Gebrechliche und Kranke: Falls nötig, hakt man sie unter, trägt schwere Taschen und pflegt sie zu Hause – Altenheime gibt es in Spanien kaum.

 

Kinderbetreuung bei Ganztags-Berufstätigkeit der Eltern ist im Allgemeinen kein Problem – in der Familie findet sich immer jemand, der den Nachwuchs aus Kindergarten oder Schule abholt und sich bis zum Eintreffen von Vater oder Mutter um ihn kümmert. Für die Kinder ist das ganz normal, sie wach- sen in einer Großfamilie auf.

Lautstärke ist Trumpf, denn in Spanien gilt im Allgemeinen die Gleichung laut = schön! Ich erinnere mich noch gut an unseren ersten Sommer-Auf- enthalt hier, als wie jedes Jahr im Juli die Ferias (Jahrmärkte) stattfanden. Elmar und ich verdrückten uns relativ schnell wieder – es war heiß und unerträglich laut. An einem der nächsten Tage trafen wir eine spanische Bekannte, die höchst interessiert fragte, ob wir auch auf der hiesigen Feria waren und – falls ja - wie sie uns gefallen habe. Als ich meinte, ja, wir seien dort gewesen, es war sehr laut, strahlte sie übers ganze Gesicht ob des vermeintlichen Lobes.

Im Sommer verbringen viele Spanier zumindest die Wochenenden im Campo: Mit der Ruhe ist es dann vorbei, denn aus allen Ecken schallt laute Musik bis in die späte Nacht. Sich zu beschweren, würde auf absolutes Unverständnis stoßen.

Auch die Autohupe scheint bei den meisten nicht als Warnsignal zu dienen, sondern als Mittel, die eintönige Stille im Auto zu überbrücken – sofern diese Daueraufgabe nicht eine Musikanlage übernimmt.

Apropos Autofahren! Häufig hat man den Eindruck, es gibt unter den Spaniern nur die beiden Extreme: Fahrer (vor allem Alte), die eigentlich viel lieber zu Fuß gehen würden, wenn sie denn noch könnten, oder verkannte Toreros. Bei Letzteren hat man ständig das Gefühl, sie seien entweder auf der Flucht oder Suizid-Kandidaten. Mehr oder weniger heftige Kollateral-Schäden sind dann auch an der Tagesordnung. Da ein Auto aber in erster Linie als Fortbewegungsmittel und Arbeitsgerät – und nicht in dem Maße wie in Deutschland als zu hegendes und pflegendes Prestige-Objekt – dient, kümmern sich beide Seiten kaum um Unfälle mit nur leichten Blechschäden. Wenn man denn überhaupt aussteigt, dann nur, um festzustellen „no ha pasado nada“ (es ist nichts passiert), sich freundschaftlich die Hand zu schütteln ... und genauso rasant weiterzufahren.

Diese Gelassenheit kann man generell beobachten: Einen Spanier regt so schnell nichts auf – auch, wenn man als ausländischer Beobachter manch- mal den Eindruck hat: Denn es wird jede Kleinigkeit ausdiskutiert, und zwar wortreich, lautstark und mit großer Detailtreue unter mehrfacher Wiederho- lung der subjektiv wichtigen Punkte (also alles!). Besonders bei Frauen faszinieren mich immer wieder die Stimmlage und die Sprechgeschwindigkeit.

 

Die Kehrseite dieser Gelassenheits-Medaille ist oft eine Gedankenlosig- keit, die nicht selten schon an Rücksichtslosigkeit grenzt: Da dröhnt eben am Sonntagmorgen um 7 Uhr eine Motorsense ohrenbetäubend durchs Campo (der spanische Landmann trägt natürlich Lärmschützer höchster Qualität). Egal, ob Anwohner vielleicht ausschlafen wollen …der Arbeitende hat jetzt Zeit und will schließlich bis mittags mit der Arbeit durch sein. -  Oder der das Campo alle zwei Tage beliefernde Lebensmittelwagen fährt früh morgens auf den Hof, laut und ausdauernd hupend, obwohl der potenzielle Käufer sich bereits gezeigt hat. Da sich das  natürlich auf jedem Grundstück wiederholt, erfreut sich die gesamte Gegend manchmal ca. 2 Stunden lang an einem Hupkonzert erster Güte. Auch hier kein Gedanke des Spaniers daran, dass dieser Dauerkrach alle 2 Tage evtl. ein klitzekleines bisschen nerven und mindestens die halbe Gegend aufwecken könnte. Beschwerde übrigens zwecklos, denn siehe Stichpunkt „in die Enge treiben“.

 

>>>>>>>>>>  Lies hier weiter:  Spanier sind faul?

 

© Annette Traks